Naturschauspiel über den traditionellen Jurte-Zelten der Mongolen im Terelj-Nationalpark, nur 40 Kilometer von der Hauptstadt Ulan Bator entfernt. Foto: Braden

Die Mongolei scheint ein Land ohne Zeit und ohne Grenzen zu sein - Zwischen Tradition und Moderne.

"Abholen am Bahnhof in Ulan Bator? Kein Problem. Nur denken Sie daran: Zeit spielt bei uns keine Rolle." Was auch immer die Worte der Mongolin Imami bedeuten mögen– es geht los. Die Transsibirische Eisenbahn verlässt Peking, die erste von 32 Zugstunden bricht an. Auf ihrem Weg durch das einst größte Reich der Menschheitsgeschichte durchquert die Lok heute Welten. Vom Pekinger Hochhausdschungel über triste Vororte aus brüchigen Lehm- und Ziegelhütten mitten hinein in die nächtliche Wüste Gobi.

Es zieht eine karge Hügellandschaft vorbei, hier und da eine kleine Tierherde, ab und an eine Jurte und Hunderte Kilometer lang: nichts. An der mongolischen Grenze rumpelt es plötzlich auf dem Bahnsteig. Es sind noch nicht die Arbeiter, die den Zug aufbocken werden, um das Fahrgestell zu tauschen. Es ist ein Trupp mongolischer Grenzbeamtinnen, die mit prall gefüllten, knielangen Röcken und schwarzen Stöckelschuhen mitten in der Nacht über den Beton donnern. Sie rufen sich kurze Sätze zu. In einer harten, kehligen und zugleich klaren Sprache, einer Mischung aus Russisch und Türkisch und einem Hauch Chinesisch. Eine Sprache, die verständlich sein muss, wenn man in einer kalten Schneesturm-Nacht bei minus 40 Grad von einer Jurte zur anderen schreit. Unmissverständlich ist auch der Befehl: "Passports!"

Schließlich rollt die Eisenbahn mit nur zwei Stunden Verspätung, nach mongolischer Zeitrechnung fast pünktlich, in der Hauptstadt ein. Imami, die souverän auftretende Jurtencamp-Leiterin, wartet schon. Sie hat hohe, markante Wangenknochen und tiefdunkle Augen. Sie verwaltet eine Art Zeltlager im Terelj-Nationalpark für abenteuerlustige Ausländer oder gestresste Großstädter aus Ulan Bator. "Vier Monate im Jahr wohne ich da draußen in den Bergen", sagt Imami und erklärt: "In der restlichen Zeit des Jahres sind alle Leitungen und Flüsse zugefroren. Das macht den Alltag beschwerlich." Dann arbeitet die 65-Jährige, die zu DDR-Zeiten in Dresden studiert hat, als Ingenieurin für Elektrotechnik an der Universität.

Ulan Bator, eine Hauptstadt mit russischem Charme, fasziniert mehr durch ihre Geschichte als durch ihre Gegenwart. Eine stets verstopfte Hauptstraße, eine der wenigen befestigten Fahrbahnen im Land, führt vorbei an Plattenbauten, modernen Architekturgebilden, eingezäunten Jurten, russisch-orthodoxen Kirchen und am Sükhbaatar-Platz. Hier steht das Parlament, und hier sitzt Dschingis Khan als Statue aus Bronze. Riesig und majestätisch. Er vollbrachte, was keinem vor ihm gelang: Er einte einst die zerstrittenen Nomadenstämme, um den Weg für das mongolische Großreich zu ebnen. Auf seinen Eroberungszügen ging er mit äußerster Brutalität vor – ein Massenmörder. Als er 1227 an einem bis heute geheimen Ort starb, vermachte er seinen Söhnen ein Herrschaftsgebiet, doppelt so groß wie das heutige China. Doch erst seine Nachfahren bauten das Großreich zur eigentlichen Größe aus. Es erstreckte sich vom Chinesischen Meer bis vor die Tore Wiens. Heute liegt die Mongolei eingekeilt zwischen China und Russland.

"Dschingis Khan ist für die Mongolen wichtig", sagt Imami, "wir verehren ihn wie einen Halbgott." Tatsächlich wirkt er im Alltag vielfältig fort: auf Bierflaschen, auf Käsepackungen, als Namensgeber für Hotels und mongolische Rockbands – und natürlich für den besten Wodka des Landes. Er steht aber auch für das Selbstvertrauen einer Nation und ihrer stolzen, starken Bürger.

Auf der Fahrt von Ulan Bator ins Terelj-Gebiet wird klar, warum ein Land, das über und über mit Natur gesegnet ist, Nationalparks braucht: In den Vororten liegen Müllberge in den Straßengräben. Plastiktüten, Verpackungen, leere Flaschen als Dauergäste im Grün. "Eine Katastrophe ist das", sagt Imami.

Die Äußere Mongolei ist viermal so groß wie die Bundesrepublik. Knapp drei Millionen Menschen leben in dem Land, davon allein ein Drittel in Ulan Bator. Viele bestreiten scheinbar unverändert als Nomaden ihren Lebensunterhalt von der Viehzucht. Von Schafen, Ziegen, Kühen, Yaks und Kamelen. Und obwohl es Jurten mit Solarstrom und Handys gibt, bewältigen die meisten ihren Alltag ohne Strom und ohne fließendes Wasser in ihren runden, weißen Zelten. Wie Sahnetupfer wirken sie im welligen Braun-Grün der verschwenderischen Landschaft. Die Jurten sind karg eingerichtet. Das Inventar – ein paar Betten, vier Stühle, ein Tisch – ist aus Holz und mit traditionellen Mustern bemalt. In der Mitte steht ein Ofen, die Wände sind aus Schaffell. "Im Sommer benutzen wir eine Schicht Fell, im Winter drei", sagt Imami und lacht, "wir Mongolen brauchen nur etwa eine halbe Stunde, um die Jurte abzubauen und auf ihre Transporttiere zu laden."

Imami hat gerade für sich und ihre Gäste gekocht. Es gibt schwarzen Tee, Wodka und Hammel in der Milchkanne. Dabei wird das Fleisch in einer Kanne mit Milch und heißen Steinen stundenlang gegart. Die gelb-weißen Stücke, die dann auf dem Teller liegen, sind keine Kartoffelecken, sondern Fettklumpen. Vielleicht ein Grund, warum Vegetarier in der Mongolei nicht glücklich werden.

Langsam verschwindet die Sonne hinter der alpinen Szenerie, die so schön und kitschig wirkt, als stamme sie aus einem Filmstudio. Ein Nomadenjunge treibt mit seinem BMX-Rad die Kühe von der Weide. Ein anderer galoppiert im traditionellen mongolischen Gewand. Die letzten Ulan Batoris erreichen im Porsche Cayenne das Zeltlager. Ein Yak grunzt hinter der Jurte. Und Dschingis Khan lebt – spätestens nach dem letzten Schluck Wodka.

Mongolei

Anreise
Eine einfache Fahrt kostet mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Ulan Bator rund 200 Euro. Aeroflot und Miat Mongolia fliegen von München, Frankfurt oder Berlin über Moskau oder Peking nach Ulan Bator für durchschnittlich rund 1200 Euro hin und zurück. 

Währung
Die mongolische Währung heißt Tögrög. Für einen Euro bekommt man derzeit rund 1759 von den bunten Scheinen, die mit hübschen Pferden und zornigen Khanen bedruckt sind. In Gebieten, die touristisch mehr oder weniger erschlossen sind, werden Preise auch oft in US-Dollar angegeben, und der Dollar wird angenommen.

Essen und Trinken
Das mongolische Essen besteht hauptsächlich aus Fleisch- und Milchprodukten. Vor allem Hammelfleisch wird mit Nudeln oder auch in Teigtaschen gereicht. Das Nationalgetränk heißt Airag: gegorene Stutenmilch. Sie kitzelt auf der Zunge, schmeckt ein wenig wie Kefir und hat drei Prozent Alkohol.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall beim Zelten in der Mongolei sich an den Einheimischen ein Vorbild nehmen und den Platz so verlassen, als wäre man nie da gewesen. Auf keinen Fall sich undankbar zeigen. Wer in der Steppe auf die Gastfreundschaft einer mongolischen Nomadenfamilie angewiesen ist, um Wasser, Lebensmittel oder einen Schlafplatz zu bekommen, sollte sich mit Geld oder Gastgeschenken unbedingt erkenntlich zeigen. Die Gastfreundschaft der Mongolen ist beeindruckend tief in ihrer Kultur verankert.

Weitere Auskünfte
Auf der Homepage www.mongolei.de gibt es nicht nur eine Liste mit Reiseveranstaltern, sondern viele nützliche Informationen vor Beginn der Reise. Weitere Informationen: www.botschaft-mongolei.de.