Lenin-Statue vor dem Parlamentsgebäude in Tiraspol: Die Regierung in Transnistrien ist Moskau-hörig. Foto: dpa/Hannah Wagner

Die von Moldau abtrünnige Provinz Transnistrien bittet um „Schutz“ durch Russland. Auch Politiker in Deutschland sind besorgt. Wie groß ist die Gefahr einer Eskalation?

In der Ukraine hat Russland derzeit militärisch die Oberhand. Nun wächst die Sorge, dass in der Republik Moldau der nächste Brandherd entstehen könnte. Denn die Regierung des pro-russischen Separatistenregimes in Transnistrien hat in dieser Woche um „Schutz“ aus Russland gebeten. Worum geht es in diesem Konflikt?

Wie ist die völkerrechtliche Lage?

Transnistrien ist ein schmaler Landstreifen auf dem Staatsgebiet von Moldau, in dem rund 375 000 Menschen leben. Die Regierung in der Hauptstadt Tiraspol bezeichnet sich als unabhängig, wird aber von keinem Staat der Vereinten Nationen anerkannt. Auch nicht von Russland. Im Osten grenzt Transnistrien direkt an die Ukraine. Moldau, die Region Transnistrien und die Ukraine gehörten bis 1990 gemeinsam zur Sowjetunion.

Bis 1992 kämpfte Transnistrien dann einen Bürgerkrieg gegen den neu gegründeten Staat Moldau für die Eigenständigkeit. Seit 1992 sind bis zu 2000 russische Soldaten in der Region stationiert. Neben der Militärpräsenz spielt Russland auch wirtschaftlich eine wichtige Rolle in Transnistrien. So liefern russische Staatsbetriebe kostenlos Gas in die Region, das dort in einem Kraftwerk verstromt und an die Republik Moldau geliefert wird.

Warum besteht nun Sorge um die Lage in Transnistrien?

In dieser Woche wandten sich prorussische Machthaber in Transnistrien an Russland und baten um „Schutz“. Laut einer Mitteilung begründeten sie dies mit „zunehmendem Druck durch Moldau“ und verwiesen auch auf die russischen Staatsbürger, die in dem Gebiet leben. Was genau die Regierung von Russland erwartet, war zunächst nicht klar. Dieses Vorgehen erinnert viele an die Ereignisse vor Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb in dieser Woche auf der Plattform X: „Seit Jahren instrumentalisiert Russland Minderheiten in der Ukraine. In Moldau setzt Putin mit den Separatisten in Transnistrien auf das gleiche durchsichtige Drehbuch.“ Sie bekräftigte: „Moldau steht nicht allein, es hat starke Freunde.“ Kein Land sei Russlands Hinterhof und dürfe destabilisiert werden.

Wie wahrscheinlich ist ein militärisches Eingreifen Russlands zugunsten der Separatisten?

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte am Freitag auf Nachfrage: „Wir beobachten die generelle Lageentwicklung in der Ukraine und in der Peripherie genau.“ Die Analysen teile man allerdings nicht öffentlich. Über einen möglichen militärischen Einsatz wolle er nicht spekulieren.

In der Tat scheint es zum aktuellen Zeitpunkt nicht sehr wahrscheinlich, dass Russland seine militärische Präsenz in Transnistrien ausbauen will. Die russischen Streitkräfte sind derzeit in der Ukraine massiv gefordert. Soldaten für einen weiteren militärischen Konflikt abzustellen, würde die Verbände dort schwächen. Auch die geografische Lage macht ein Eingreifen schwierig. Transnistrien hat keinen Seezugang. Truppen müssten also aus der Luft in die Region geflogen werden. Dabei müsste man ukrainisch kontrolliertes Staatsgebiet durchqueren, in der die Flugabwehr präsent ist. Oder sogar den Luftraum von Nato-Staaten wie Rumänien passieren.

Wie hat sich die Lage in Moldau seit Beginn des Ukraine-Krieges verändert?

Die Regierung in Chisinau ist seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs nervös und fürchtet eine russische Einflussnahme. Die pro-europäisch eingestellte Regierungschefin Maia Sandu trieb daher die Anbindung an die EU voran. Bereits kurz nach dem russischen Überfall im März 2022 stellte das Land einen Antrag, um in die Europäischen Union aufgenommen zu werden. Seit Juni 2022 hat Moldau gemeinsam mit der Ukraine den offiziellen Status eines EU-Beitrittskandidaten. Anfang 2023 hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow Moldau als neues „anti-russisches Projekt“ des Westens bezeichnet. Viele Kriegsflüchtlinge aus der der Ukraine haben die Republik Moldau auf ihrem Weg in die EU durchquert. Rund 120 000 Flüchtlinge sind im Land geblieben.