Mit raffinierten Tricks schummelt die Lebensmittelindustrie höhere Preise ins Regal.

Hamburg - Im April 2009 fielen die letzten verbindlichen Mengenvorgaben für Lebensmittel in Deutschland. Seitdem heißt müssen Verbraucher mehr aufpassen. Denn die Hersteller lassen sich immer wieder neue Maschen einfallen, um versteckte Preiserhöhungen durchzusetzen: Mal werden die Verpackungen zum gleichen Preis etwas kleiner. Mal wird dem Konsumenten zwar „mehr Inhalt“ versprochen – für diesen zahlt er jedoch auch deutlich mehr.

Neuerdings verschleiert ausgerechnet der Einheitspreis die Verteuerung, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. So biete die Lebensmittelindustrie je nach Supermarkt ähnlich aussehende Verpackungen an, in denen jedoch unterschiedlich viel Inhalt steckt – zum selben Preis.

Nicht in jedem Supermarkt sind gleich viele Gummibären in der Tüte

Als Beispiel nennt Valet Marken-Gummibärchen: Bei Discountern werden sie in 300-Gramm-Tüten angeboten, in Supermärkten sind aber nur 200 Gramm „Goldbären“ drin. Die Tüte mit mehr Luft statt Bärchen ist optisch aber nahezu identisch – und der Preis mit 89 Cent überall gleich. „Das wiegt in Sicherheit, das kann ein normaler Kunde gar nicht durchschauen“, sagt Valet. Wer jetzt etwa im Supermarkt zugreift, zahlt aber stolze 50 Prozent mehr.

Nach diesem Prinzip kommen nach Beobachtung der Hamburger Verbraucherschützer vor allem Süßigkeiten verstärkt in die Regale, aber auch Marken-Cornflakes oder -Mineralwasser. „Nicht immer ist der Discounter billiger“, warnt Valet.

Ist der Kunde nicht auf der Hut, kriegt er in einem Supermarkt beispielsweise nur einen Liter Marken-Cola für 99 Cent, im anderen dagegen eine 1,25-Liter-Flasche zum gleichen Preis. Getrickst wird auch bei Mini-Käse-Laibchen. So bieten verschiedene Händler entweder 120-Gramm-Netze mit sechs Stück oder 140-Gramm-Varianten mit sieben Teilen an. Beim gleichen Verkaufspreis von 1,99 Euro müssen Käufer also in manchen Läden 17 Prozent mehr hinblättern.

Mit Karamell lässt sich Kaffee strecken – und verteuern

„Die Kunden werden mit immer raffinierteren Mitteln hinters Licht geführt, das ist ein Riesenärgernis“, sagt Valet. Peter Loosen, Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, weist den Vorwurf der Verbrauchertäuschung zurück: „Käufer können nicht immer mit gleichen Mengen und mit gleichen Preisen rechnen.“

Entscheidend sei, beim Einkauf auf den Grundpreis zu achten, betont Loosen. Das ist der Preis, der seit dem Jahr 2000 pro 100 Gramm, pro Kilogramm, pro 100 Milliliter oder pro Liter angegeben werden muss, um einen Vergleich zu ermöglichen. Ausgewiesen wird der Grundpreis am Regal.

„Das klappt beim Vergleich am selben Regal, aber wer in Geschäft A steht und Gummibärchen will, hat nicht den Grundpreis von Geschäft B im Kopf“, winkt Valet ab. Wer verdeckten Preiserhöhungen nicht auf den Leim gehen wolle, müsse inzwischen wahre Detektivarbeit leisten. Ohne diese ist auch eine weitere neue Masche nicht zu erkennen: Rezepturen werden geändert, um dieVerteuerungen zu kaschieren. Damit die Kundschaft weiter zugreift, wird bei neuen Sorten zwar nicht an der Preisschraube gedreht, aber gern mal am Inhalt gespart. Heißt es beispielsweise auf dem Etikett einer Wurstsalat-Schale „plus 15 Prozent Schinkenwurst“, sollten Kunden genau hingucken, rät Valet. Tatsächlich kann dieFüllmenge von 200 auf 150 Gramm heruntergefahren worden sein. Unterm Strich ist also nicht mehr Wurst drin, sondern weniger. Nur der Preis ist unverändert.

Auch bei Kaffeepulver stießen dieVerbraucherschützer auf Zutaten-Trickserei. Weil in drei Produkten der Anteil von Röstkaffee verringert und durch Füllstoffe wie Maltodextrin (eine aus Mais gewonnene, geschmacksneutrale Zuckerart) und Karamell ersetzt wurde, müssen Kunden höher dosieren, wenn sie eine Tasse trinken wollen. Die Folge: Eine Packung reicht nicht mehr so lang und wird alles in allem 15 Prozent teurer.

Beschwerden bei den Herstellern haben Erfolg

Wer sich über Mogelpackungen ärgert, sollte sich beim Hersteller beschweren, rät Valet. Oder die Beispiele der Hamburger Verbraucherzentrale (ernaehrung@vzhh.de) oder dem Portal Lebensmittelklarheit (www.lebensmittelklarheit.de) melden.

Dass solche Beschwerden durchaus Erfolg haben können, zeigt das Beispiel eines Anbieters von Fischfilets: Nach Protesten bekommt der Kunde jetzt wieder 70 Prozent Fischanteil im Schlemmerfilet auf den Teller statt zwischenzeitlich nur noch 52 Prozent plus viel Panade zum gleichen Preis.