Harold Craston und Kirsty Kenn vor ihrer grünen Solarbox Foto: Przybilla

In Zeiten, in denen fast jeder ein Handy mit sich rumträgt, sind Telefonzellen überflüssig. Das wollen zwei Jungunternehmer ändern und bauen Londons rote Telefonhäuschen zu Ladestationen fürs Smartphone um,

London - Zu ihren knallig-roten Telefonzellen haben die Briten seit jeher eine besondere Beziehung. Zum Telefonieren braucht man sie im Mobilfunk-Zeitalter nicht mehr, doch im Vereinigten Königreich stehen noch rund 65 000 der roten Holzhäuschen. Sie sind ein beliebtes Fotomotiv, werden zu öffentlichen Bücherregalen oder Kunstobjekten umfunktioniert. Doch immer mehr landen auf dem Schrott.

In London wollen zwei Jungunternehmer den roten Ikonen neues Leben einhauchen. Viele der 8000 Häuschen, die in der britischen Hauptstadt noch übrig sind, haben eingeschlagene Scheiben und abgerissene Hörer. Dieser Anblick hat Harold Craston (22) zu einem Geschäftsmodell inspiriert: einer Ladestation für stromfressende Smartphones.

Craston, der gerade sein Studium an der renommierten London School of Economics abgeschlossen hat, tut sich mit seiner Kommilitonin Kirsty Kenny, ebenfalls 22 Jahre alt, zusammen. Die beiden entwickeln eine solarbetriebene Telefonzelle, in der mehrere Handykabel bereitliegen. Die Idee kommt gut an: Schon nach kurzer Zeit treiben die Studenten mehr als 20 000 Euro an Investitionen auf, Londons Bürgermeister Boris Johnson überreicht ihnen persönlich einen Preis für nachhaltige Erfindungen. Schließlich kommt der Solarunternehmer Derrick van Voorst mit an Bord – für das junge Team der Zeitpunkt, eine eigene Firma zu gründen. Solarbox heißt sie, und der Name ist Programm.

Ladebox finanziert sich durch Werbung

„Nächstes Jahr wollen wir bis zu zehn Ladestationen in der Stadt aufbauen“, sagt Kenny. Noch aber muss sich das junge Team mit dem Prototypen begnügen. Die umgebaute Telefonzelle steht am Ausgang der U-Bahn-Station Tottenham Court Road, direkt neben einem klassischen Telefonhäuschen. Im Gegensatz zum Original leuchtet die Solarbox giftgrün – um sich von den alten Telefonzellen deutlich abzusetzen.

Vier Anschlüsse im Inneren der umgebauten Telefonzelle decken die wichtigsten Smartphone-Modelle ab, jedenfalls für Londoner Verhältnisse. „Bei den iPhones passen alle Modelle“, sagt Kenny. Modelle anderer Firmen, vor allem ältere, sind dagegen nicht immer kompatibel. „Aber in London rennen die Leute sowieso nur mit dem neuesten Zeug herum“, beteuert die Erfinderin. In ein paar Jahren dürfte sich das Problem sowieso von selbst erledigen, denn ab 2017 müssen Hersteller EU-weit einheitliche Anschlüsse fabrizieren.

In der Telefonzelle selbst treiben die Nutzer andere Fragen um. Auf Twitter kursieren Befürchtungen, die Solarbox liefere nicht nur Strom, sondern stehle während des Ladevorgangs heimlich persönliche Daten. „Absurd“ nennt Harold Craston solche Behauptungen. Dass die Nutzung kostenlos sei, erkläre sich durch Einnahmen an anderer Stelle: Sobald ein Smartphone angeschlossen wird, laufen Werbefilmchen über einen Bildschirm in der Telefonzelle. So preist etwa der Taxi-Konkurrent Uber seine Dienste an, gefolgt von Ausflugstipps in die Londoner Museumslandschaft.