Am kommenden Mittwoch, 12. Juni, sollen die Zeichen auch am Rathaus-Eingang wieder auf Streik stehen Foto: PPFotodesign.com

Die Gewerkschaft Verdi hat für nächsten Mittwoch, 12. Juni, 18 000 Mitarbeiter der Stadt Stuttgart zu einem ganztägigen Streik aufgerufen. Damit soll die Forderung nach einer Mobilitätszulage unterstützt werden.

Stuttgart - Seit März fordert die Gewerkschaft Verdi für alle Beschäftigten der Landeshauptstadt eine Mobilitätszulage von 180 Euro monatlich. Sie soll die hohen Fahrtkosten im Ballungsraum ausgleichen. Verdi verweist dabei auf das Beispiel München, wo abhängig von der Entgeltgruppe seit Juli 2011 eine „Münchenzulage“ von bis zu 107,15 Euro pro Monat gezahlt wird. Pro Kind gibt es 20,45 Euro mehr, Auszubildende und Praktikanten erhalten 53,58 Euro.

Verdi nimmt sich München als Vorbild. In Stuttgart aber beißt die Gewerkschaft auf Granit. Nach einem gescheiterten Gespräch und nachdem der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) am Mittwoch dieser Woche Verhandlungen schriftlich abgelehnt hat, wird der Streit am kommenden Mittwoch erstmals auf der Straße ausgetragen werden. Die Gewerkschaft hat zum ganztägigen Streik und zur Kundgebung um 12 Uhr auf dem Marktplatz aufgerufen. Zuvor geht es eine Stunde lang im Demonstrationszug durch die Stadt.

Beim Streik schon „eine gewisse Routine entwickelt“

Kindertagesstätten und Freibäder sollen geschlossen, Mülltonnen ungeleert am Straßenrand stehen bleiben. In den städtischen Krankenhäusern könnte sich ein Notdienst nur um die schlimmsten Fälle kümmern. Man werde am Montag eine entsprechende Vereinbarung entwickeln, sagt die Klinikumssprecherin Ulrike Fischer. Beim Thema Streik habe man inzwischen „eine gewisse Routine entwickelt“, sagt Fischer. Im Jugendamt, zuständig für 180 Kindertagesstätten, werden Einverständniserklärungen versandt. Eltern können ihre und fremde Kinder am Mittwoch in den städtischen Häusern dann selbst betreuen. Sie sind dabei versichert.

Die nächsten regulären Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Kommunen stehen erst nach dem 28. Februar 2014 an. Dann kann der aktuelle, zweijährige Tarifvertrag gekündigt werden. Die Mobilitätszulage bewegt sich nach Ansicht von Verdi außerhalb dieses Rahmens und sei sofort verhandelbar. Man habe sich, heißt es bei der Gewerkschaft, entsprechender juristischer Rückendeckung aus der Berliner Zentrale versichert. Die Mitarbeiter der Stadt dürften die Arbeit niederlegen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Im ersten Punkt des doppelseitigen Streikaufrufs heißt es: „Grundsätzlich kann jede/r Beschäftigte/r davon ausgehen, dass ein von der zuständigen Gewerkschaft ausgerufener Streik rechtmäßig ist (BAG 19.06.1973).“

Bei der Stadt dagegen erkennt man keinen rechtlichen Freibrief. „Wir sehen keinerlei Voraussetzung, einen gesonderten Tarifvertrag abzuschließen. Es gilt die Friedenspflicht“, sagt Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) am Freitag. Er beantragte am Vormittag beim Arbeitsgericht Stuttgart eine einstweilige Verfügung. Das Gericht soll den Streik noch vor Mittwoch für rechtswidrig erklären und Verdi für den Streikfall eine Schadenersatzsumme aufbrummen.

Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle hält den Streik für überzogen

Die Gewerkschaft zeigt sich präpariert. „Wir haben bereits vorab beantragt, eine derartige Forderung zurückzuweisen“, sagt Cuno Hägele, der Geschäftsführer des Stuttgarter Bezirks. „Außerdem haben wir vorbeugend eine Schutzschrift gegen einen solchen Antrag eingereicht“, sagt Hägele. Damit könne die einstweilige Verfügung erst nach einer mündlichen Anhörung der Gewerkschaftsseite entschieden werden. Eine Einladung des Gerichts lag Verdi am Nachmittag noch nicht vor. Hägele hält das Vorgehen der Gewerkschaft für vertretbar. Die 180 Euro spiegelten die hohen Kosten für den Nahverkehr in der Region wider. „Alle unsere Vorschläge werden abgelehnt. Wir können ja jetzt nicht mit Wattebäuschchen werfen“, verteidigt Hägele den Streikaufruf.

Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle hält den Streik für überzogen. „Ich verstehe diese Eskalationsstufe nicht“, sagt der Grünen-Politiker. Der Arbeitgeberverband habe einstimmig gegen Verhandlungen gestimmt. „Keiner will die Zulage zahlen“, so Wölfle, „und ich bin aufgefordert worden, ihr nicht Tür und Tor zu öffnen.“

Ganz neu ist die Forderung nach mehr Geld wegen der in der Großstadt höheren Lebenshaltungskosten nicht. Beraten wurde, Erzieherinnen oder Krankenpflegern eine Großstadtzulage zu zahlen. Das sind Berufe, in denen dringend Kräfte gesucht werden. Entschieden wurde vom Gemeinderat aber nichts. Die 180 Euro für alle hat die Stadt hochgerechnet. Der Zuschuss würde den Haushalt mit 50 Millionen Euro belasten. Die Rechnung sei „unredlich“, sagt der Verdi-Bezirksvorsitzende Uwe Theilen. Er ist auch Personalratsvorsitzender.

Wölfle wirft dem Personalrat vor, sich „vor den Karren von Verdi spanne zu lassen“. Er wolle zu den Haushaltsplanberatungen eigene Vorschläge bringen. So solle bei der Stadt die unterste Entlohnungsstufe abgeschafft werden. In sie sind noch 70 der 18 000 Beschäftigten eingruppiert. Er wolle außerdem „Lösungen für Mangelberufe entwickeln“, kündigt Wölfle an, und ein besonders rabattiertes Ticket mit dem Verkehrsverbund (VVS) aushandeln. Der Arbeitgeber würde nach Wölfles Vorstellung einen Ticketzuschuss geben.