Unter dem Projektnamen „Pop-up Next“ entwickeln der Autobauer Audi und der Luftfahrtkonzern Airbus das flugfähige Auto. Im Bild: eine Designstudie dieses vollelektrischen Vehikels, die auf dem Genfer Autosalon im März dieses Jahres vorgestellt wurde. Foto: dpa

In Sachen innovativer Technologie gelten sie als nächstes großes Ding: bemannte Drohnen. Erstmals hierzulande verwirklicht werden könnten sie in Ingolstadt. Mit dabei sind Audi und Airbus.

München - Flugtaxis ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt hat Digitalstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU) im März in einem TV-Interview. Ein Hirngespinst für die ferne Zukunft sind bemannte Drohnen tatsächlich nicht. In Deutschland zum ersten Mal fliegen könnten sie bald in Ingolstadt: „Ein Modellversuch für Flugtaxis und für Kranken- oder Organtransporte passt hervorragend zu uns“, findet Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU). Um einen solchen Testbetrieb zeitnah in die Tat umzusetzen, beteiligen sich die Oberbayern an der EU-Initiative Urban Air Mobility (UAM). Die will in verschiedenen Städten Europas die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen mit und ohne Menschen an Bord praxisnah testen.

In Ingolstadt mit von der Partie sind auch Audi und Airbus. Das wurde soeben per Absichtserklärung besiegelt und ist insofern naheliegend, als dass der Autobauer und der Luftfahrtkonzern bereits bei einem Projekt namens Pop-up Next kooperieren. Darunter versteht das Duo ein vollelektrisches Fortbewegungsmittel mit zweisitziger Passagierkabine, die sowohl auf einen fahrbaren Untersatz gesetzt als auch an ein mit Propellern bestücktes Flugmodul gekoppelt werden kann. Nicht mehr und nicht weniger als das flugfähige Auto soll auf diese Weise geboren werden.

Elektromobilität droht Jobs in der Autoindustrie zu vernichten

Wohl nicht nur Lösel, der auf Zuschüsse zum Ingolstädter UAM-Projekt von EU, Bund und Land in Millionenhöhe hofft, kommt das gerade recht. Letztlich gehe es auch darum, die Arbeitsplätze am Standort zu halten, sagt der Ingolstädter OB und spielt darauf an, dass Elektromobilität in der Autoindustrie viele traditionelle Jobs zu vernichten droht. Die Herstellung von Flugtaxis und anderer bemannter Drohnen könnte Ausgleich schaffen, vorzugsweise in einem Werk am Audi-Firmensitz Ingolstadt, versteht sich. Noch sind das Träume.

Nächster Schritt auf dem Weg zu ihrer Verwirklichung ist ein zweitägiges Treffen der Ingolstädter UAM-Partner Ende Juli. Dort sollen konkrete Einsatzszenarien festgelegt werden, was eng mit der Verfügbarkeit einsatzfähiger Flugobjekte verknüpft ist. Das fliegende Auto von Audi und Airbus gibt es erst als Designstudie, bis ein Prototyp fliegt, könnte es noch Jahre dauern, heißt es im Kreis des Industrieduos.

Pop-up Next ist aber nicht das einzige Eisen, das Airbus technologisch im Feuer hat. Für den 18. Dezember dieses Jahres plant der Luft- und Raumfahrtkonzern an seinem Hubschrauber-Standort Donauwörth den Jungfernflug seines City-Airbus. Das ist ein viersitziges Flugtaxi mit von Siemens entwickelten Elektromotoren, jedoch ohne die Option, dessen Kabine auch auf einen fahrbaren Untersatz zu montieren. Klappt der Jungfernflug, ist ein mehrmonatiger Testbetrieb auf dem Flughafengelände am Airbus-Standort Manching vor den Toren Ingolstadts geplant.

Flugtaxi Vahana ist für 53 Sekunden in fünf Metern Höhe geflogen

Der City-Airbus könnte die Basis für den Pop-up Next sein. Schon im Februar hat Airbus in den USA ein kleineres Flugtaxi namens Vahana erstmals schweben lassen, wenn auch nur für 53 Sekunden und fünf Meter über dem Boden. „Es kommt darauf an, was Ingolstadt will, möglichst baldigen Praxiseinsatz oder noch ein paar Jahre auf eine maßgeschneiderte Entwicklung warten“, sagt ein mit den Technologien vertrauter Insider. Ersteres bedeutet City-Airbus oder Vahana, Letzteres Pop-up Next. Angesichts konkurrierender Aktivitäten ist Schnelligkeit gefragt.

Kaum hatte Ingolstadt vor wenigen Tagen verkündet, Flugtaxis im Realbetrieb testen zu wollen, mailte der Bundestagsabgeordnete Christian Jung (FDP) an die Adresse des baden-württembergischen Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: „Wir brauchen eine schnelle Antwort auf das bayerische Flugtaxi-Testfeld“, fordert er und hat dabei Karlsruhe im Auge. 27 Kilometer davon entfernt liegt Bruchsal. Dort entwickelt das ambitionierte deutsche Start-up Volocopter, an dem auch der Autobauer Daimler beteiligt ist, sein gleichnamiges Flugtaxi. Das ist bereits im September 2017 erstmals geschwebt, wenn auch nicht in Deutschland, sondern zwischen den Hochhäusern Dubais, der Millionenstadt am Persischen Golf.

Deutsche Ingenieure sind bei technischer Entwicklung an der Spitze

Das Rennen um den Startschuss für Flugtaxis hat nun also auch in Deutschland begonnen. Bei der Entwicklung sind deutsche Ingenieure ohnehin an der Spitze der Entwicklung. Neben Airbus und Audi sowie Volocopter und Daimler ist mit Lilium noch ein zweites deutsches Start-up vor den Toren Münchens weit vorangeschritten. Was die Aussicht auf praktische Anwendung betrifft, hat Ingolstadt mit dem Rückwind der EU-Initiative UAM momentan die Nase vorn. Das Engagement der Stadt wird auch vom Bund seitens Digitalstaatssekretärin Bär und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) unterstützt. „Deutschland ist Luftfahrtpionierland“, betont Letzterer. Flugtaxen – und zwar zu einem erschwinglichen Tarif – gehöre in einem Land mit relativ geringer Fläche und hoher Verkehrsdichte wie Deutschland die Zukunft, assistiert Bär. „Wir gehen davon aus, dass ein Flug mit einem Lufttaxi in etwa so viel kosten wird wie eine herkömmliche Taxifahrt auf der Straße“, verspricht Airbus. Auch die Landespolitik schiebt an. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will den Freistaat zur führenden Pilot- und Produktionsregion für Flugtaxis machen.

Da passt Ingolstadt ins Bild. Der kommissarische Chef der zuletzt arg gebeutelten VW-Premiumtochter Audi, Abraham Schot, wirbt für das Testfeld für Flugtaxis am eigenen Firmensitz. Mobilität in der dritten Dimension könne einen wertvollen Beitrag für mehr Lebensqualität in Städten leisten. In den Ideen, die Ingolstadt dazu der EU präsentiert hat, ist neben örtlichen Bahnhöfen schon einmal das Audi-Firmengelände als Start- und Landeplatz vorgesehen. Wenn alles klappt, könnte diese Zukunft im Lauf des nächsten Jahres in Ingolstadt beginnen.