Diese Packung gibt der Herr Redakteur nimmer her. Foto: Decksmann

Mit einer Großpackung Klopapier durch Stuttgart zu laufen, ist eigentlich nichts Besonderes, könnte man meinen. Nicht in Tagen wie diesen. Doch erst mal muss man sich eine besorgen.

Stuttgart - Wer hätte gedacht, dass Klopapier in einem reichen Land wie diesem einmal zur Mangelware wird? Kein Mensch. Und auch jene Passanten, die man, in gebührendem Abstand, in diesen Tagen auf der Straße trifft, schütteln zumeist den Kopf: Warum die Leute in Corona-Zeiten gerade Klopapier horten? Niemand scheint es zu wissen. Und doch, die Hamsterei ist real. Morgens, Viertel vor zehn, ist bei einer Müller-Drogerie-Filiale in der Robert-Leicht-Straße in Stuttgart-Vaihingen bereits Land unter. Zumindest was den begehrten Hygieneartikel betrifft. Die Lieferung, die um acht angekommen sei, erzählt eine Kundin, sei sofort vergriffen gewesen. Also zügig eine Ecke weiter in die Schwabengalerie.

Polizei vorm Drogeriemarkt

Da scheint es noch Material zu geben, was man leicht an einer Polizeistreife vor einem Drogeriemarkt erkennen kann, zusätzlich zum Wachdienst. Kein Scherz. Die Frage, wie lang sie hier noch stehen müsse, beantwortet die junge Polizistin präzise: „Bis das Klopapier aus ist. Aber ich schätze, das dauert keine zehn Minuten mehr.“ Also zügig in die Schlange vor den DM-Markt gestellt, auch hier mit gebührendem Abstand, versteht sich. Dass der eingehalten wird, darauf achten drinnen und draußen Wachleute. Die Anwesenheit der Polizei vor dem Laden erspart den Kassierinnen lästige Diskussionen mit Zeitgenossen, die nicht einsehen wollen, dass es nur zwei Klopapierpakete pro Kopf gibt. Das Regal mit Klopapier ist schon reichlich geplündert, aber es gibt noch einige Zehnerpacken. „Warum nimmst du diese?“, sagt einer der Wachleute. „Nimm die daneben, die ist doppelt so groß.“ Guter Mann, man würde ihn gern in den Arm nehmen. Vor den Kassen sollen grelle Striche auf dem Boden dafür sorgen, dass die Leute sich nicht zu sehr auf die Pelle rücken. Wer die Markierung ignoriert, den trifft der strenge Blick einer Wachfrau. „Sorry, ist mein erstes Mal hier. Ich übe noch.“

Neugierige Blicke und Gekicher

Draußen, in der Frühlingssonne, beginnt der interessanteste Teil unserer Einkaufstour. Wer in diesen Tagen von seinen Mitmenschen beachtet werden will, der muss sich nicht die Kleider vom Leib reißen oder die Haare grün färben. Es reicht vollkommen, mit einer Großpackung Klopapier durch die Gegend zu marschieren. Neugierige Blicke, nicht selten Gekicher, oft wird man angesprochen. Wo man die herhabe, fragt ein älterer Herr wenig später auf der Königstraße. Sicher nicht von dem Drogeriemarkt am Kleinen Schlossplatz. Da gäbe es nur noch Haushaltspapier. Immerhin. Auch wenn die Stadtentwässerung alles andere als froh über den vermeintlichen Ersatzstoff ist, wegen Verstopfungsgefahr.

Kuppelportale können einpacken

Man müsste eine App erfinden, denkt man, die den Leuten zeigt, wo es noch Klopapier gibt. So ähnlich wie die Apps, die einem den Weg zum günstigsten Sprit weisen. Derweil können die Anbieter von Partnerschafts- und Kuppelportalen bald einpacken. Wer braucht das Zeug noch, wenn man, einen Packen Klorollen geschultert, viel beachtet auf Brautschau gehen kann.

Eine gute Stunde später, man hat sich an die Blicke der Passanten längst gewohnt, an einem Fußgängerübergang in Herrenberg. Eine Frau, vermutlich Kroatin, telefoniert, schaut rüber, lacht laut – und muss die Sensation ihrem Gesprächspartner mitteilen. Wäre neben ihr Brad Pitt aufgetaucht oder ein Ufo gelandet, die Begeisterung könnte nicht größer sein. „Woher haben Sie die?“, will sie wissen. „Im ganzen Landkreis Böblingen bekommst du kein Klopapier mehr.“ Vermutlich gibt es die Klopapier-App längst.