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Der Rettungsdienst in Stuttgart hat häufig Verspätung. StN- Redakteur Jürgen Bock hat diesen Missstand im vorigen Jahr öffentlich gemacht und ist dafür mit dem renommierten Wächterpreis ausgezeichnet worden.

Stuttgart - Der Rettungsdienst in Stuttgart hat häufig Verspätung. "Die Chancen, bei einem Herzinfarkt gerettet zu werden, sind in Hamburg größer", sagt StN- Redakteur Jürgen Bock. Er hat diesen Missstand im vorigen Jahr öffentlich gemacht und ist dafür am Montag (6.4) mit dem renommierten Wächterpreis der Tagespresse (3. Preis) ausgezeichnet worden.

Herr Bock, den Wächterpreis gewinnt man nicht alle Tage. Mussten Sie Ihren Kollegen schon einen ausgeben?

In dieser Woche habe ich Spätdienst. Als ich am Nachmittag in die Redaktion kam, haben die Kollegen spontan applaudiert, und natürlich haben wir kurz angestoßen.

Wie haben Sie vom Preis erfahren?

Auf meinem Handy fand ich mehrere Glückwunsch-SMS und wusste erst gar nicht warum. Kurz vor Dienstbeginn hat mich jemand aus der Redaktion aufgeklärt. Natürlich freut man sich dann über einen solch unerwarteten Lohn für die eigene Arbeit.

Das Thema, für dessen Aufbereitung Sie ausgezeichnet wurden, ist ernster Natur. Der Umstand, dass Rettungswagen zu lange zu den Notfällen unterwegs sind, liegt nicht unbedingt auf der Hand. Wie wurden Sie auf den Missstand aufmerksam?

Das Ganze war ein Zufall. Beim Tag des Euro-Notrufs ging es um die europaweite Einführung der Notrufnummer 112. Manche Medien hatten dazu keine Berichterstatter geschickt. Bürgerinitiativen erwähnten bei der Gelegenheit, dass es bei der Notfallrettung hinten und vorne nicht stimmt. Der Rettungsdienst sei schlecht ausgestattet, Hilfsfristen würden nicht eingehalten. Gemeint ist damit die Zeit zwischen Alarmierung und Eintreffen am Einsatzort.

In der Begründung der Jury ist von aufwendiger Recherche die Rede. Was hat die Recherche erschwert?

Die Notfallrettung ist ein kompliziertes Konstrukt. Konfrontiert mit den Vorwürfen haben die Verantwortlichen erst mal auf Zeit gespielt. Als ich bei einer Schicht mitgefahren bin, hat man genau gemerkt, dass die Besatzung des Rettungswagens vorher instruiert worden war.

Bereichsausschuss, Hilfsfristen - klingt nach einem spröden Thema. Wie bringt man das den Lesern nahe, damit sie es verstehen?

Das Grundproblem ist simpel. Es gab zu wenig Rettungswagen und Notärzte, man musste länger warten als anderswo. Die Chancen, in Hamburg einen Herzinfarkt zu überleben, waren größer als in Stuttgart.

Dennoch, die Massen fesseln andere Themen. Hellhörig wird man doch nur, wenn's einen selbst betrifft, sprich, man selbst auf einen Rettungswagen warten muss...

...deshalb hat mich der Preis auch überrascht. Eigentlich dachte ich, dass man mit einer solchen lokalen Geschichte gegen Bewerber des "Spiegels" oder "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wenig Chancen hat.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, oder in Ihrem Fall: Nach dem Preis ist vor dem Preis. Manches, aber längst nicht alles hat sich zum Besseren gewendet.

Zunächst ist es ein gutes Gefühl für einen Journalisten, wenn man mit seiner Arbeit etwas bewirkt. Immerhin wurde nachgebessert, und der gesamte Rettungsdienst in Stuttgart ist inzwischen auf dem Prüfstand. Das Ergebnis hätte allerdings schon im Herbst vorliegen sollen. Bei dem Thema gibt es noch Arbeit für uns als Redaktion.

Was machen Sie mit dem Preisgeld?

Ein Teil wird in irgendeiner Form der Notfallrettung zugutekommen.