Das jährliche Schaulaufen der Schönen gehört zur Geschichte der Bundesrepublik. Beim „Miss-Germany-Treffen“ kommen Siegerinnen aus mehr als fünfeinhalb Jahrzehnten zusammen. Und reden vom Ruhm. Foto: dpa

Das jährliche Schaulaufen der Schönen gehört zur Geschichte der Bundesrepublik. Beim „Miss-Germany-Treffen“ kommen Siegerinnen aus mehr als fünfeinhalb Jahrzehnten zusammen. Und reden vom Ruhm.

Rust - Gerti Daub Hollmann und Caroline Noeding haben es beide bis zur Krone geschafft. Doch zwischen ihnen liegen mehr als fünfeinhalb Jahrzehnte. Daub Hollmann (76) wurde vor 56 Jahren zur „Miss Germany“ und damit zur schönsten Frau Deutschlands gekürt. Noeding (21) dagegen erst vor wenigen Monaten, sie ist die amtierende Schönheitskönigin. Das Duo spiegelt die Geschichte der Schönheitswahlen in Deutschland wider. Auf den Laufsteg kommt diese beim „Miss-Germany-Treffen“ am Samstag im Europa-Park in Rust bei Freiburg. 23 Siegerinnen von 1957 bis heute sind dabei.

Die jährliche Wahl zur „Miss Germany“ ist nach Angaben der Organisatoren der älteste und bedeutendste Schönheitswettbewerb der Republik. Ausgerichtet wird sie seit 1927. Es ist das zweite Mal in der 86-jährigen Geschichte, dass mehrere Schönheitsköniginnen gemeinsam auftreten. Die Premiere gab es 2005, ebenfalls in Rust.

Gerti Daub Hollmann ist die älteste Teilnehmerin. Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie ihr 1957 im Kurhaus Baden-Baden die Siegerkrone aufgesetzt wurde. „Es öffnete sich eine Tür in die große, weite und mir bis dahin völlig unbekannte Welt.“ Die Hamburgerin wurde zum Schönheitsideal der späten 1950er Jahre, galt als die „deutsche Grace Kelly“.

Als Botschafterin der noch jungen Bundesrepublik reiste sie rund um den Globus. Hollywood lockte mit Filmangeboten, an der Seite von Hans Albers spielte sie in Kinofilmen. Papst Pius XII. lud sie zur Privataudienz und auch Kanzler Konrad Adenauer zeigte sich gern mit ihr. „Entscheidend war aber: Durch das Amt habe ich die Liebe meines Lebens getroffen.“ Bei einem Interview verliebte sie sich in den Fernsehmoderator Carlheinz Hollmann. Sie heirateten.

„Fast jedes Mädchen spielt Prinzessin und will mal eine Krone tragen“, sagt die 76-Jährige. „In der Misswahl sehen viele junge Frauen die Chance auf Ruhm und den Einstieg ins Film-, Fernseh- oder Modelgeschäft.“ Daran habe sich über die Jahrzehnte nichts geändert.

„Diese Chance hat man. Aber es ist auch verdammt harte Arbeit“, sagt die „Miss Germany“ 2013, Caroline Noeding aus Hannover. Als schönste Frau Deutschlands ist sie ein Jahr lang im Dauereinsatz. Sie muss repräsentieren und eine gute Figur abgeben - vom 21. Juni an auch in der neuen Fernsehshow „Die Pool Champions“ bei RTL.

„Der Laufsteg lockt und hat seinen Reiz nicht verloren“, sagt Noeding. „Die Sehnsucht nach dem Rampenlicht ist unverändert groß.“ Das Amt sei daher noch immer gleichbleibend begehrt.

„In jedem Freibad und auf jedem Werbeplakat geht es heute anzüglicher zu“

Seit fünf Jahren verzeichnet der traditionsreiche Wettbewerb wieder steigende Teilnehmerzahlen. Vor allem der Boom der Casting-Shows im Fernsehen wie Heidi Klums „Germany's Next Topmodel“ auf ProSieben hat dazu beigetragen. Jedes Jahr versuchen mehr als 6500 junge Frauen, es bis ins entscheidende Finale zu schaffen.

„Früher waren viele Frauen dabei, die aus Spaß und Neugier mitgemacht haben. Heute haben die meisten Teilnehmerinnen eine genaue Vorstellung von dem, was sie machen und was sie wollen“, sagt Horst Klemmer. Der 76 Jahre alte frühere Steuerberater aus dem niedersächsischen Oldenburg und Manager des Komikers Heinz Erhardt (1909-1979) organisiert seit 52 Jahren die Misswahl.

Zu Beginn sollte sie Kurgäste bei Laune halten, in den Jahren des Wirtschaftswunders diente sie als Werbung für Damenstrümpfe. Heute interessieren sich vor allem Sponsoren und Medien für das Schaulaufen der Schönen und nutzen es als Bühne. „In all den Jahren haben sich vor allem die Mode und die Frisuren geändert“, sagt Klemmer. Prägten früher hochgesteckte Frisuren und voluminöse Abendkleider das Bild, gehe es heute locker und ungezwungen zu.

„Die Wahl ist vor allem ein Tor zur großen Show- und Fernsehwelt.“ Den Ruf einer anrüchigen Veranstaltung habe sie schon lange nicht mehr. Zwar treten die Anwärterinnen auch in Badekleidung vor Jury und Publikum. Doch das sei harmlos, sagt Klemmer: „In jedem Freibad und auf jedem Werbeplakat geht es heute anzüglicher zu.“