Dillmann-Gymnasiasten erfahren in der Hochschule für Technik, wie 3D-Welten erzeugt werden. Foto: Dillmann-Gymnasium/Johannes Ehrenmann

Algorithmen in der Fahrzeugproduktion und Prämienmanagement in Versicherungsunternehmen: Schüler des Stuttgarter Dillmann-Gymnasiums erfahren durch die Bildungspartnerschaft mit der Hochschule für Technik, wozu Mathe taugt.

Mathe ist ein Sorgenkind. Das beginnt für viele schon in der Schule, zieht sich bis in die Hochschule durch und hat Folgen für Unternehmen. In Deutschland fehlen laut der Studie „Mint-Herbstreport“ des Nationalen Mint-Forums rund 326 000 Arbeitskräfte im Mint-Bereich. Die Stuttgarter Hochschule für Technik (HFT) hat seit Jahren Probleme, ihre Mathe-Studiengänge zu füllen, trotz bester Berufschancen ihrer Absolventen. „In den Mint-Fächern ist es immer schwierig, Leute zu kriegen, und vor allem die guten Leute“, sagt der Hochschulsprecher Jens Kohring.

Auch deshalb war der Vorstoß des Stuttgarter Dillmann-Gymnasiums zu einer Bildungspartnerschaft mit der HFT hochwillkommen. Es sei die erste Bildungspartnerschaft der HFT mit einer Schule, so Kohring.

Schülern zeigen, was man mit Mathe alles machen kann

Die Idee dazu hatte Johannes Ehrenmann. Der Chemie-, Englisch- und NWT-Lehrer (Naturwissenschaft und Technik) wollte eine bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler im Fach Mathematik ermöglichen und ihnen damit zugleich auch Einblicke in die Studien- und Berufslandschaft verschaffen. „Ich bin einfach an die HFT herangetreten und habe gefragt, ob das geht“, berichtet Ehrenmann. Klar ging das. Auch Harald Bauer von der HFT spricht von einer „echten Win-win-Situation“. Der Professor für Mathematik und Wirtschaftsinformatik und Pro- und Studiendekan ist froh über diese direkte Partnerschaft mit dem Dillmann-Gymnasium: „Für uns geht es darum, Schülern aufzuzeigen, wo denn die Mathematik hinführen und was man mit Mathe alles machen kann.“

Und noch etwas ist Harald Bauer wichtig: „Wir wollen zeigen: vor Mathematik muss man keine Angst haben.“ Er betont: „Auch Zweierkandidaten kommen bei uns gut klar: Solide, gute Mathekenntnisse reichen.“

Mehr als die Hälfte der Studierenden brechen ab

Allerdings ist das Fach auch für viele Studierende ein Angstgegner. Das zeigt zum Einen die hohe Quote der Studienabbrecher. An der HFT seien dies „deutlich über 50 Prozent“, so Bauer. Zum Anderen bleiben seit Jahren immer mehr junge Leute aus, die sich überhaupt für das Fach einschreiben. „Wir haben die Kapazität der Anfängerstudienplätze reduziert: erst waren es 75, dann 65, jetzt sind es im Wintersemester noch 40, davon sind 37 besetzt“, berichtet der Studiendekan. Deshalb sei eines der Ziele der Bildungspartnerschaft auch, den Schülern selbst eine Einschätzung zu geben: „Ist das was für mich?“

Die erste Gelegenheit dazu nutzten 30 Dillmann-Gymnasiasten bereits am Unterzeichnungstag der nagelneuen Bildungspartnerschaft. Im Rahmen ihrer Science-Week ließen sich die Zehntklässler im Cyber-Classroom-Labor der HFT von Matheprofessor Franz-Josef Schneider zeigen, wie man realistische 3D-Welten erzeugen und den Rechner allein mit Augenzwinkern steuern kann. Solche virtuellen Werkzeuge werden an der HFT auch vorlesungsbegleitend eingesetzt, um komplexe geometrische Sachverhalte intuitiv und spielerisch zu vermitteln. Die Matheprofessorin Nicola Wolpert erklärte den Schülern, was Montageplanung bei der Fahrzeugproduktion mit der Struktur von Libellenflügeln zu tun hat und wie mittels Logarithmen Bauteile im Fahrzeug kollisionsfrei ein- und ausgebaut werden können.

Zielgruppe sind Gymnasiasten der Klassen fünf bis zehn

Aber das ist nur der Anfang, denn das Konzept der Bildungspartnerschaft sieht eine langfristige Kooperation vor: zunächst beim Fach Mathe als Grundlage für sämtliche Mint-Studiengänge, später soll eine Ausweitung auf Informatik, Technik, Physik oder Wirtschaft erfolgen. Zielgruppe seien Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen fünf bis zehn. Dabei erhalten Acht- bis Zehntklässler erste Einblicke in die Konstruktion dreidimensionaler Objekte mit CAD und dürfen eigene Objekte entwickeln und ausdrucken. In einem Versicherungsplanspiel erfahren Neuntklässler, wie Versicherungsunternehmen ihr Prämienmanagement anlegen und wie das mit den Dividenden läuft. Und bei der Kindervorlesung werden Matheprofs versuchen, den Fünft- bis Siebtklässlern die Magie des Fachs und seine Schönheit zu vermitteln.

Auch HFT-Rektorin Katja Rade sieht in der Bildungspartnerschaft große Chancen: Für die Schule, „weil die Schüler frühzeitig eine Berufsorientierung anhand praktischer Bildungsobjekte erfahren“. Für die Hochschule, „um unsere vielfältigen Studiengänge im Mint-Bereich samt der sehr guten Berufsaussichten bekannter zu machen und damit frühzeitig die ‚richtigen‘ Studierenden dafür zu finden“.