Mega-Stadt Teheran: Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid ist zu Besuch Foto: Wirtschaftministerium

Die Wirtschaftsdelegation aus Baden-Württemberg setzt große Hoffnungen in den Iran. Bevor Geld ins Land fließt, müsste es allerdings mehr Rechtssicherheit geben, sagen die Firmenvertreter in Teheran.

Teheran - Die iranischen Wirtschaftsvertreter reden meist leise und voller Respekt vor der baden-württembergischen Delegation aus Politikern und Vertretern aus der Wirtschaft. Sie schwärmen so sehr von deutscher Wertarbeit, dass mancher in Verlegenheit gerät: „Manchmal überschätzen sie uns“, heißt es hinter den Kulissen. „Dann kommt es zu Enttäuschungen.“ Doch trotz gesenkter Stimme und warmer Worte sagen sie auch klar, worin die künftige Zusammenarbeit aus ihrer Sicht besteht.

„Die Gespräche haben deutlich gemacht, dass wir begehrte Partner sind“, sagt der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) in Teheran. „Die iranischen Wirtschaftsvertreter haben aber auch deutlich gemacht, dass die künftigen Geschäftsbeziehungen über den Handel hinaus gehen sollen.“

Beim Export kommt Deutschland nicht an alte Zahlen heran

Bei der Errichtung von Produktionsstätten oder Joint-Ventures vor Ort sehen baden-württembergische Wirtschaftsvertreter allerdings Nachholbedarf: „Die Zeit für Investitionen ist sicherlich noch nicht reif“, sagt Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags in Teheran. „Wir brauchen eine unabhängige Judikative“, so Kulitz. Außerdem fehlen ihm einschlägige Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums. Die offiziellen Zahlen zeigten außerdem, dass die Korruption ein großes Thema sei, so Schmid.

Die Iraner wiederholen ihre Forderung jedoch ausdauernd: „Wir brauchen nicht nur die Handelsgüter aus Deutschland“, sagt Alireza Piroozan, Experte für Internationale Angelegenheiten bei der Iran Chamber of Commerce. „Wir brauchen das Know-How und die Investitionen.“ Bei den Exporten haben iranische Wirtschaftsexperten die Hoffnung gedämpft, dass die alten Marktanteile so schnell zurück erobert werden können. „So stark wie Deutschland vor zehn Jahren war, wird es wohl nicht mehr werden“, sagte Amir Alizadeh, stellvertretender Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer AHK in Teheran.

„Damals hatte Deutschland beispielsweise bei den Maschinen einen Marktanteil von 30 Prozent.“ Inzwischen sei die Zahl auf zehn Prozent gesunken. „Der Marktanteil der chinesischen Maschinen ist jedoch auf 50 Prozent gestiegen.“ Andererseits erwartet der Iran aber nach dem Wegfall der Sanktionen insgesamt ein stetiges Wachstum, sodass Platz für mehrere Anbieter entsteht.

Baden-Württemberg auch an Fachkräften interessiert

Wenn das Land die Atomvereinbarung einhält, die sicherstellen soll, dass der Iran keine Nuklearwaffen baut, könnten im ersten Quartal 2016 rund 90 Prozent der Sanktionen wegfallen. Am wichtigsten ist der Wirtschaft , dass der Iran nicht mehr vom internationalen Zahlungsverkehr abgekoppelt ist.

Die baden-württembergische Wirtschaft interessiert nicht nur Investitionen und Exporte, sondern auch Fachkräfte: „Zum einen hoffen wir natürlich, dass es im Iran Bedarf an Ingenieurdienstleistungen aus Deutschland gibt“, sagt Daniel Sander, Hauptgeschäftsführer der Ingenieurkammer Baden-Württemberg (INGBW), in Teheran. „Die Mehrheit unserer Mitglieder ist im Baubereich tätig.“ Für diese könnten Planungsleistungen im Bereich Infrastruktur jeglicher Art, Anlagenbau und Energie infrage kommen. „Zum anderen möchten wir auf der Reise ausloten, ob eine Anwerbung von Ingenieuren aus dem Iran angesichts unseres steigenden Fachkräftemangels sinnvoll und möglich ist“, so Sander. „Derzeit können in Baden-Württemberg rund 15 000 Stellen im Ingenieurbereich nicht besetzt werden.“

Kooperation mit iranischem Öl-Ministerium

Damit baden-württembergische Firmen künftig einen leichteren Zugang zum iranischen Markt erhalten, will der Schmid zudem eine Kooperation mit dem iranischen Ölministerium eingehen. Geplant sei eine Kontaktstelle, die in zehn definierte Bereiche unterteilt ist – darunter etwa die Öl- und Gasförderung, so Schmid in Teheran. Dadurch kann beispielsweise die iranische Nachfrage nach deutscher Technologie gezielt an geeignete Firmen in Baden-Württemberg vermittelt werden.

„Das zeigt, wie wertvoll es ist, dass wir als erstes Bundesland die Chancen nutzen können, die das Atomabkommen bietet“, so Schmid. Der Minister erkundet derzeit mit einer Wirtschaftsdelegation den iranischen Markt.