Kontrolle auf einer Baustelle. Foto: Max Kovalenko

Schwarzarbeit bleibt ein Thema in der Region Stuttgart: Der Zoll hat im letzten Jahr 9,8 Millionen Euro Schaden durch hinterzogene Steuern und Sozialabgaben aufgedeckt. Tendenz: steigend. Am Bau zeigt sich beispielhaft, wie der Mindestlohn ausgehebelt wird.

Schwarzarbeit bleibt ein Thema in der Region Stuttgart: Der Zoll hat im letzten Jahr 9,8 Millionen Euro Schaden durch hinterzogene Steuern und Sozialabgaben aufgedeckt. Tendenz: steigend. Am Bau zeigt sich beispielhaft, wie der Mindestlohn ausgehebelt wird.

Stuttgart - Die Schwarzarbeit-Fahnder vom Hauptzollamt staunen: Auf den Baustellen im Großraum Stuttgart stoßen sie immer öfter auf Ein-Mann-Unternehmer aus Kroatien und anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien. „Ein neuer Trend“, sagt der Leiter der zuständigen Zoll-Einheit, Oliver Czarny. Dabei dürfte es sich freilich eher um Scheinselbstständige handeln. „Da geht es nur darum, den gesetzlichen Mindestlohn auszuhebeln“, sagt Fahnder Czarny.

Erst letzte Woche war er auf einer Baustelle an einen Bauarbeiter aus Slowenien geraten, der in München ein Gewerbe angemeldet hat. Seltsamerweise war der Mann aber vor Wochen mit einem Bus aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana angereist, und die Zahlungen werden mit einer dortigen Firma abgerechnet. „Hintermänner bringen Bauarbeiter hierher, statten sie mit einem Wunschlos-glücklich-Paket aus Gewerbeanmeldung, Umsatzsteuerregelung und Rechnungsabwicklung aus“, sagt der Schwarzarbeit-Experte vom Zoll. Und das alles nur, um Mindestlohn und Sozialabgaben zu sparen. Denn der gilt nicht für Selbstständige. So schafft man Billig-Bauarbeiter.

Dabei ist Stuttgart zum Magneten geworden. „Diese Stadt hat das höchste Bauvolumen in Deutschland“, sagte Angelika Kaag, Leiterin des Hauptzollamts, am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz, „hier brummt’s.“ Nach ihren Angaben werden im Großraum etwa elf Milliarden Euro verbaut – in Frankfurt seien es nur drei bis vier Milliarden. Da kommt auch auf den Zoll eine Menge Arbeit zu. Die zuständige Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat dafür 120 Kräfte im Einsatz.

Das Rätsel um die steigende Zahl von Ein-Mann-Unternehmen aus Kroatien ist auf dem zweiten Blick freilich keines mehr. Obwohl Kroatien EU-Mitglied ist, gibt es für deren Bürger keine Arbeitnehmerfreizügigkeit. Hierfür sind spezielle Genehmigungen der örtlichen Arbeitsämter nötig. Für kroatische Unternehmen ist der Einsatz über Werkverträge über Kontingente begrenzt. Ein sogenanntes Ein-Personen-Unternehmen aus Kroatien hat dagegen zwei Vorteile: Es fällt nicht ins Kontingent – und es ist keinen Arbeitnehmer, dem man Mindestlohn oder Versicherungsbeiträge zahlen müsste.

Derweil steigt bereits die Zahl der erwischten illegalen Beschäftigten. „70 Personen sind eine Verdoppelung“, sagt Hauptzollamtschefin Kaag. Die einen reisen per Touristenvisum ein – und hoffen, nicht erwischt zu werden, weil für die Arbeit ein Visum nötig ist. Die anderen kommen mit gefälschten Papieren.

Auf einer Baustelle in der Nähe des Pragsattels in Feuerbach etwa waren zwei angebliche bulgarische Arbeiter am Werk. Zumindest hatten sie einen bulgarischen Personalausweis dabei. Für Bulgarien und Rumänien gilt seit Jahresbeginn die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Pech für die beiden, dass die Zöllner einen Fragebogen in bulgarischer Sprache vorlegten. Das Duo verstand kein Wort – es handelte sich um Kosovo-Albaner.

Der Zoll beziffert in seiner Jahresbilanz den Schaden, der den Sozialkassen durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung entstanden ist, auf 9,8 Millionen Euro. In den Jahren davor waren es noch 9,1 beziehungsweise 7,8 Millionen gewesen. Die Zöllner hatten letztes Jahr 10 500 Personen bei ihrer Arbeit kontrolliert, daraufhin 2500 Straf- und 1145 Bußgeldverfahren in Gang gesetzt.

Den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlöhnen sieht Schwarzarbeit-Fahnder Czarny mit einer gewissen Portion Skepsis entgegen. „Das wird die Tendenz zur Scheinselbstständigkeit weiter steigern“, ahnt er. Und das nicht nur beim Bau – wie jüngst die Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg feststellte. Auch im Transportgewerbe: „Da gibt es lauter selbstständige Kurierfahrer“, sagt Czarny, „und die fahren ganz sicher nicht zum Mindestlohn.“