Für die Trasse wurden im Maya-Dschungel auf mehr als 100 Kilometern Bäume abgeholzt. Foto: dpa/Fernando Martinez Belmar

In Mexiko wird der erste Teilabschnitt der umstrittenen „Maya-Eisenbahn“ durch Yucatán eingeweiht. Es gibt große Bedenken wegen Umweltzerstörung und möglicher Baumängel.

Die ersten Tickets waren in wenigen Minuten verkauft – trotz der hohen Preise. 1161 Peso ruft der Tren Maya für die Jungfernfahrt am Samstagmorgen von Campeche nach Cancún auf. Das sind umgerechnet 62 Euro. Ein Businessbillett kostet sogar 100 Euro für die dreistündige Fahrt über rund 450 Kilometer. Aber es ist ja auch eine historische Reise. Die Bahn soll Millionen Touristen rasch und problemlos zwischen den Stränden und den Maya-Ruinen der Halbinsel Yucatán hin- und herfahren.

Das erste von sieben Teilstücken der Zugtrasse, die praktisch einmal ganz um Yucatán herumführt, wird am Freitag von Präsident Andrés Manuel López Obrador eingeweiht. Wenn dann im kommenden Jahr mal alles fertig sein sollte, wird die Strecke gut 1500 Kilometer lang sein, was ungefähr der Entfernung von Berlin nach Rom entspricht.

Es ist das größte, teuerste und ambitionierteste der vielen Infrastrukturprojekte von Mexikos Linkspräsident. Es ist aber auch das umstrittenste: Die Kosten sind von acht auf über 25 Milliarden Dollar gestiegen, wie offizielle Stellen zugeben. Die Umweltauswirkungen bezeichnen Ökologen als ein Desaster, die angeblichen wirtschaftlichen Vorteile sind zumindest strittig. Beim Bauen selber ging Geschwindigkeit vor Sicherheit.

Das Lieblingsprojekt des Präsidenten

López Obrador, der sein Lieblingsprojekt gegen Widerstände und Widrigkeiten durchgepeitscht hat, erhofft sich von dem Maya-Zug eine Ankurbelung des wirtschaftlich hinterherhinkenden und schlecht angebundenen Südwestens Mexikos und natürlich eine Attraktion für den Tourismus. Aber es soll auch eine Verkehrswende einleiten. Die Eisenbahn soll in Mexiko wieder eine Rolle als Verkehrsmittel bekommen, die sie in dem Land wie in fast ganz Lateinamerika seit Langem verloren hat.

Am allerwichtigsten scheint dem Staatschef aber, sein Mandat mit einem Projekt zu krönen, das wie das Juwel seiner Amtszeit glänzen soll. In Erinnerung bleiben aber genauso die falschen Versprechen und die autoritären Entscheide, mit denen er alle Kritik, Einwände und auch Urteile abgeschmettert hat. Oberstes Ziel war, die erste von sieben Teilstrecken noch vor Weihnachten einzuweihen und das ganze Projekt 2024 fertigzustellen, bevor López Obrador zum Ende des kommenden Jahres das Zepter an seine Nachfolgerin übergibt.

Massentourismus statt sanftem Tourismus?

Dabei konnte man nahezu lehrbuchhaft sehen, dass bei derartigen Megaprojekten in Lateinamerika Klima- und Umweltfragen zurückstehen müssen. So waren die Umweltauswirkungen des Zugbaus von Anfang an eine Belastung für das Projekt. Die Abholzung von Tausenden Hektar Dschungel, die Zerstörung von Mangroven, die Konstruktion über extrem empfindlichem Gelände haben eine breite Front von Aktivisten gegen das Projekt entstehen lassen. Die Selva Maya in Yucatán, Guatemala und Belize ist das größte Regenwaldgebiet nach dem Amazonas auf dem amerikanischen Kontinent. Dort errichtete die Maya-Zivilisation einst mächtige Städte wie Chichén Itzá.

Der Maya-Zug soll mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern zahlreiche der teils fragilen archäologischen Stätten verbinden. Massentourismus könnte den bisherigen sanften Tourismus verdrängen. Allerdings hat der Tren Maya auch viele Befürworter, weil er in einer der ärmsten Regionen wirtschaftliche Entwicklung und 100 000 Arbeitsplätze schaffen könnte.

Auf 112 Kilometern durch den Maya-Dschungel

Der Maya-Zug hat das Licht der Welt in Rekordzeit erblickt. „Wir haben es in fünf Jahren geschafft, während sie in Spanien für eine vergleichbare Strecke 16 benötigten“, ätzte López Obrador kurz vor der Einweihung. Aber genau hier liegt eines der vielen Probleme des Projekts, bei dem auch die deutsche DB Engineering & Consulting beratend zur Seite stand. Das Terrain auf der Halbinsel Yucatán ist mit seinen unterirdischen Seen und Flüssen, seinem Dschungel, seinen gefährdeten Wildtieren und seiner Flora und Fauna ein so kompliziertes Terrain für den Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse, dass Ingenieure Zweifel an der Sicherheit angemeldet haben.

Der umstrittenste Teil ist Abschnitt 5, der Cancún und die berühmten Strandruinen von Tulum verbindet. Um die Abholzung so gering wie möglich zu halten, war der Bau ursprünglich entlang der Bundesstraße geplant. Nachdem sich Hoteliers über die Beeinträchtigungen durch die Arbeiten beschwerten, stimmte López Obrador zu, die Route durch etwa 112 Kilometer des Maya-Dschungels zu legen. Dort gibt es den längsten unterirdischen Fluss der Welt und Hunderte von unerforschten Höhlen, in denen alte Ruinen der Maya-Zivilisation entdeckt wurden. Das ganze Gebiet besteht aus Kalkstein, der von Natur aus erodiert und an manchen Stellen einem Schweizer Käse gleicht. Da durch und da drüber donnern künftig also die bis zu 217 Tonnen schweren Züge.

Der Präsident übergab das Bauprojekt ans Militär

Angesichts negativer Gerichtsurteile, Stress mit den Hoteliers und Kritik von Umweltorganisationen verlor der autokratische Präsident im Juli die Lust und erließ ein „Dekret der nationalen Sicherheit“, um so die Entscheidungen, einstweiligen Verfügungen und Anträge auf Stopp der Bauarbeiten auszuhebeln. Die Oberhoheit des Projekts wurde an die Streitkräfte übertragen.