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Im Stuttgarter Süden macht sich Unmut breit, denn in Heslach müssen möglicherweise historische Altbauten in der Möhringer Straße modernen Wohnblöcken weichen.

Stuttgart - Im Stuttgarter Süden macht sich Unmut breit, denn in Heslach müssen möglicherweise historische Altbauten modernen Wohnblöcken weichen. Betroffen sind die mehrstöckigen Mietshäuser in der Möhringer Straße 30, 32, 34 und 36 aus der Gründerzeit.

Sie gehören dem Bau- und Wohnungsverein Stuttgart. Dieser erwägt den Abriss und den Neubau moderner Wohnhäuser mit Tiefgarage, Aufzügen und Balkonen. Dafür wäre aber ein Grundstückstausch notwendig, denn die Stadt müsste einen Teil ihres Nachbargrundstücks, auf dem sich ein Spielplatz befindet, hergeben. "Es gibt dafür grobe Vorüberlegungen", sagt Helmut Haas vom städtischen Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung.

Bei "Vorüberlegungen" belässt es auch Hansjörg Hagmayer, Assistent des Vorstands im Bau- und Wohnungsverein Stuttgart: "Wir haben noch keine Pläne eingereicht." Die alte Bausubstanz sei marode, die Sanierung mit zeitgemäßem Wärmeschutz wäre teurer als Abriss und Neubau.

Der drohende Abriss empört die Bezirksbeiräte, die davon ausgingen, dass die Häuser unter Denkmalschutz stehen. Der Verleger und Historiker Wolfgang Jaworek, Bezirksbeirat der Grünen, hatte festgestellt, dass es sich bei dem vom Architekten Wilhelm Fässlin errichteten Gebäudeensemble in der Adlerstraße 17 und Möhringer Straße 30, 32, 34 und 36 um Wohnraum handelt, der 1873 für die rasch wachsende Industrie-Arbeiterschaft errichtet wurde. Jaworek: "Die ursprünglich unverputzten Backsteinbauten bilden eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse aus der frühen Phase der Industrialisierung in Stuttgart. Reicher verzierte Häuser aus der Ära um 1900 sind häufiger zu finden." Zu seinem Befremden erfuhr Jaworek, dass der Denkmalschutz mittlerweile aufgehoben ist. Weil die Sachbearbeiterin für Stuttgarts Süden in der Unteren Denkmalbehörde krank ist, fließen die Auskünfte von dort spärlich. "Ich kann lediglich bestätigen, dass die Gebäude als Kulturdenkmale erfasst waren, aber jetzt nicht mehr unter Schutz stehen", sagt die Sachbearbeiterin Stuttgart-Mitte, Ellen Pietrus.

Dass diese Aufhebung stillschweigend unter Umgehung des Bezirksbeirats geschehen ist, ärgert Wolfgang Jaworek: "Wenn ein Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wird, nimmt der Bezirksbeirat dazu Stellung. Ich erwarte dies auch für den umgekehrten Fall." Stolz sind alteingesessene Heslacher auf den Charakter ihres Quartiers, das ursprünglich vom Weinbau und mit der Industrialisierung durch Arbeitersiedlungen geprägt wurde. 2006 ist in Zusammenarbeit von Bezirksbeirat und Stadt ein Rahmenplan für Alt-Heslach entstanden. Er gesteht den Einwohnern zu, dass dieser historische Charakter erhalten bleibt.

Dies bedeutet allerdings keinen Bestandsschutz für Altbauten. Moderne Bebauungspläne sollen lediglich dafür sorgen, dass sich die Neubauten harmonisch einfügen, nicht allzu modern und auch nicht allzu hoch werden. Außerdem dürfen keine Neubauriegel entstehen, die den Durchblick auf grüne Flächen hinter den Häusern vermauern. "Wir haben damit erreicht, dass der Charakter von Heslach erhalten bleibt, der Erhalt von Gebäuden ist uns jedoch versagt worden", sagt Bezirksvorsteher Rupert Kellermann.

All dies trifft noch weniger auf die Häuser der Möhringer Straße 30 bis 36 zu, weil sie sich als einstige Randbebauung nicht mehr im Geltungsbereich des Rahmenplans Alt-Heslach befinden. Der Verlust des Denkmalstatus macht sie außerdem reif für die Abrissbirne. Diese Vorgänge lassen auch andere Bezirksbeiräte um weitere ortsbildprägende Gebäude bangen. So möchte Wolf-Dieter Wieland von der FDP den Ochsen am Bihlplatz und das Wengerterhaus in der Buchenstraße 1 von 1788 am liebsten unter Denkmalschutz gestellt wissen.