Zehn Jahre verbrachte Michail Chodorkowski in Haft - "das ist eine ordentliche Zeit", befindet Wladimir Putin und schließt auch den Oligarchen in die Massenamnestie des Kremls ein.
Zehn Jahre verbrachte Michail Chodorkowski in Haft - "das ist eine ordentliche Zeit", befindet Wladimir Putin und schließt auch den Oligarchen in die Massenamnestie des Kremls ein.
Moskau - Freiheit für Russlands berühmtesten Gefangenen: Völlig überraschend hat Kremlchef Wladimir Putin die Begnadigung seines seit zehn Jahren inhaftierten Gegners Michail Chodorkowski angekündigt. Der frühere Öl-Milliardär habe ein Gnadengesuch gestellt, das er unterschreiben werde, sagte Putin am Donnerstag in Moskau. Zudem sollten im Zuge einer Massenamnestie die beiden zu je zwei Jahren Straflager verurteilten Mitglieder der kremlkritischen Punkband Pussy Riot freikommen.
Der sensationelle Schritt gilt als Zugeständnis des Kreml an den Westen vor den ersten Olympischen Winterspielen in Russland, die am 7. Februar im Schwarzmeerort Sotschi eröffnet werden. Westliche Politiker sowie Menschenrechtler hatten immer wieder Freiheit für politische Gefangene in Russland gefordert. Zudem sah sich Russland in jüngster Zeit wegen der Menschenrechtslage verstärkt mit Aufrufen zu einem Olympia-Boykott konfrontiert.
Putin: Zehn Jahre Haft sind "ordentliche Zeit"
Zum Straferlass für Chodorkowski äußerte sich Putin erst nach einer mehr als vierstündigen Pressekonferenz. „Er hat mehr als zehn Jahre in Haft verbracht. Das ist eine ordentliche Zeit“, sagte Putin vor Kameras des Staatsfernsehens über den 50-Jährigen. Er werde deshalb das Gnadengesuch in Kürze unterschreiben.
Der einst reichste Mann Russlands werde bald seine Anwälte treffen, teilte Chodorkowskis Pressestelle mit. Sie ließ zudem Aussagen zurückziehen, nach denen die Rechtsberater des Putin-Gegners nichts von dem Gesuch gewusst hätten. Der Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos hatte stets befürchtet, dass der Kreml alles tun könnte, um ihn politisch weiter kaltzustellen.
Chodorkowskis Mutter Marina Chodorkowskaja sagte, sie unterstütze ihren Sohn bei allen Handlungen. Die Bundestagsvizepräsidentin und ehemalige Grünen-Chefin Claudia Roth würdigte die Aussicht auf Freilassung als ermutigendes Zeichen, das aber kein unabhängiges Rechtssystem ersetze. Die deutsche Sektion von Amnesty International äußerte die Hoffnung, dass die Entscheidung nicht nur ein taktisches Einlenken vor den Olympischen Spielen in Sotschi sei.
Putin erinnerte daran, dass der einst reichste Mann Russlands stets auf eine Begnadigung verzichtet habe. „Aber jetzt hat er vor nicht allzu langer Zeit ein solches Dokument unterzeichnet und mir mit der Bitte um Begnadigung geschickt“, sagte der Präsident. Widersprüchliche Angaben lagen dazu vor, ob damit ein Schuldeingeständnis verbunden war.
Auch Pussy Riot und Greenpeace-Aktivisten kommen frei
Die wegen Rowdytums verurteilten Pussy-Riot-Musikerinnen könnten nach Angaben ihrer Anwältin ebenfalls bald frei kommen. Die Angehörigen der beiden Aktivistinnen seien bereits zu den jeweiligen Straflagern gereist, um die Frauen zu begrüßen. Putins Ankündigung in der Pressekonferenz galt als wichtiges Signal an den Strafvollzug, die jungen Mütter Nadeschda Tolokonnikowa (24) und Maria Aljochina (25) rasch freizulassen. Putin bestätigte zudem, dass 30 Umweltschützer der Organisation Greenpeace unter den Gnadenakt fielen. Damit kommen sie nach ihrem Protest gegen Umweltzerstörung in der Arktis nicht wegen Rowdytums vor Gericht und können das Land jetzt verlassen.
Die Staatsduma hatte am Mittwoch eine Massenamnestie beschlossen, die auch einzelne Gegner Putins betrifft. Der Strafvollzug hat laut der Anordnung sechs Monate Zeit, den Gnadenakt umzusetzen. Demnach müssen die beiden Frauen von Pussy Riot mehrere Dokumente vorlegen, um in Freiheit zu kommen - zum Beispiel einen Nachweis, dass sie das Erziehungsrecht für ihre minderjährigen Kinder haben.
Chodorkowski war 2003 festgenommen worden, nachdem er Putin öffentlich kritisiert hatte. Nach zwei international umstrittenen Urteilen unter anderem wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung sollte der prominenteste Gefangene Russlands im August 2014 aus der Haft kommen. Vor kurzem erst hatte die Justiz weitere geplante Verfahren bestätigt. In seiner Pressekonferenz sagte Putin nun, er sehe keine Perspektiven für eine weitere strafrechtliche Verfolgung.
Nach Inkrafttreten der vom Parlament abgesegneten Massenamnestie für insgesamt etwa 25.000 Menschen kamen unterdessen die ersten Putin-Kritiker in Freiheit. Ein Gericht in Moskau stellte gegen vier Kremlgegner Strafverfahren ein, die am 6. Mai 2012 bei einer Massenkundgebung gegen die Amtseinführung von Putin protestiert hatten und dann festgenommen worden waren. Sie verließen nun den Gerichtssaal als freie Menschen.