Südwestmetall-Chef Stefan Wolf Foto: dpa

Mit einem Kraftakt konnten Arbeitnehmer, Firmen und Staat bei der Krise 2008/2009 Massenentlassungen verhindern. Wie würde es heute aussehen?

Stuttgart - Sieben Jahre ist es her, dass die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite gegangen ist und eine weltweite Krise ausgelöst hat. Vor allem Baden-Württemberg machte eine scharfe Rezession durch – die Industrieproduktion stürzte mit einem Minus von 26 Prozent regelrecht ab. Dennoch hielten sich die Belastungen für die Arbeitnehmer in Grenzen: Durch gemeinsame Anstrengungen von Beschäftigten, Unternehmern und dem Staat gelang es, fast ohne Stellenabbau durch die Krise zu kommen. Doch wie stellt sich die Lage heute dar?

Zumindest bei den Metall-Unternehmen sind Ernüchterung und Frustration eingekehrt, schenkt man Stefan Wolf, dem Chef des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Glauben. „Würde uns heute eine Krise treffen, hätte dies weit gravierendere Auswirkungen auf die Beschäftigung als damals.“ Damals seien die Strukturen intakt gewesen und die Lohnstückkosten im Zuge der Agenda 2010 gesunken. „Heute haben wir eine völlig andere Situation“, so Wolf: Allein die Abschlüsse seit 2012 summierten sich auf ein Kostenplus von 14 Prozent. Die Inflation sei dagegen sehr niedrig gewesen, und auch die Produktivität, mit der sich Kostensteigerungen ausgleichen lassen, sei kaum gestiegen. Somit stehe seit 2012 unter dem Strich ein Anstieg der Reallöhne in beinahe zweistelliger Größenordnung.

Deshalb ist Wolf überzeugt, dass die nächste Krise „viel stärker für Verlagerungen und Personalabbau genutzt wird“. Damals hätten zudem viele Unternehmer nicht nur auf Rendite verzichtet, sondern auch massiv Privatvermögen in das Unternehmen eingeschossen. „Heute wäre die Bereitschaft dazu deutlich geringer“, sagt Wolf. Dass es wieder einmal eine Krise geben wird, hält er für wahrscheinlich, denn derzeit seien Öl und Euro billig – eine einmalige Konstellation, die wohl nicht ewig andauern wird.

Einfache Tätigkeiten sind klar auf dem Rückzug

Laut einer Umfrage des Verbands bei 273 Unternehmen sind einfache Tätigkeiten klar auf dem Rückzug. Und dieser Rückgang wird sich nach Einschätzung der Firmen eher noch beschleunigen.

Zugleich werde der Anteil der Investitionen, die im Ausland vorgenommen werden, in den kommenden fünf Jahren weiter steigen. In den vergangenen vier Jahren habe es bereits weit über 100 Verlagerungen gegeben. „Das verläuft alles schleichend und sozialverträglich“, so Wolf. „Aber die Jobs sind dann weg.“

Wolf appellierte an die IG Metall, zu einer Lohnpolitik zurückzukehren, die sich am „Machbaren orientiert“. Die Tarifverträge würden zwar auch von den Arbeitgebern unterschrieben, diese seien aber oft „erpressbar“: „Wir haben internationale Kunden, die keinerlei Verständnis haben, wenn Aufträge wegen Auseinandersetzungen unter Tarifparteien nicht erledigt werden.“

IG Metall: Für eine Kurskorrektur gibt es keine Veranlassung

Der Wettbewerb um einfache Jobs werde sich angesichts des Flüchtlingszustroms noch verschärfen. 81 Prozent der Flüchtlinge hätten weder eine Hochschul- noch eine Berufsausbildung, so Wolf.

Bei der IG Metall stoßen die Aussagen auf Kritik. Zu einer Kurskorrektur bestehe „keinerlei Veranlassung“. „Tarifverträge sollen in erster Linie Realitäten abbilden und nicht nur untere Auffanglinien markieren“, erklärte Landeschef Roman Zitzelsberger. „Im Gegenteil: Gute Tarifverträge machen die Metall- und Elektroindustrie für Fachkräfte erst recht attraktiv.“