Ex-CSU-Chef Stoiber wollte Kanzlerin Merkel stürzen, aber Wolfgang Schäuble stand zur Kanzlerin – und hatte Recht damit, meint unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.
Wolfgang Schäuble berichtet in seinen in der kommenden Woche posthum erscheinenden Memoiren darüber, dass ihn im Herbst 2015 der ehemalige CSU-Chef Edmund Stoiber offen zum Sturz von Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert habe. Solche kleinen Vorabveröffentlichungen sind Teil der üblichen Verlagsstrategie, ein Buch per Appetithäppchen interessant zu machen. So sollte man diese „Neuigkeiten“ auch behandeln – als gewerbliche Werbemaßnahmen, denen man nicht durch allzu große Beachtung auf den Leim gehen sollte.
Seehofer kanzelte Merkel wie ein Schulmädchen ab
Der Nachrichtenwert ist ohnehin sehr überschaubar. Die CSU war nie damit einverstanden, dass Merkel im September auf Grenzschließungen verzichtete, als Tausende Flüchtlinge in Budapest gestrandet waren und nicht mehr weiterwussten. Und die unverschämte Art, mit der Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag die Kanzlerin wie ein Schulmädchen abkanzelte, ist als ein Tiefpunkt des Umgangs zwischen den Schwesterparteien unvergessen.
Merkels Haltung sollte die Union stolz machen
Seehofer, Stoiber und die CSU standen damals auf der falschen Seite der Geschichte. Merkels Weigerung, die Grenzen dicht zu machen, war ein große menschliche Geste, auf die die gesamte Union noch immer sehr stolz sein kann. Es steht auf einem ganz anderen Blatt, welche Fehler fraglos in den Monaten und Jahren danach in der Bewältigung des Zuzugs und in der Integration gemacht wurden.
Union sollte die Vergangenheit ruhen lassen
Die Union ist gut beraten, ein Jahr vor den Bundestagswahlen diese alten Wunden nicht wieder aufzureißen. Sie kann von der SPD und ihrem Leiden an der Agendapolitik lernen, wie schädlich es ist, die Vergangenheit nicht irgendwann ruhen zu lassen. Wolfgang Schäuble hat Merkel damals gestützt – übrigens auch in ihrer berühmten Botschaft: „Wir schaffen das.“ Das macht er in seinem Buch deutlich. Als Kronzeuge für die Generalabrechnung mit Merkel steht er auch posthum nicht zur Verfügung.