Mercedes-Entwicklungschef Ola Källenius rechnet mit einem starken Wachstum des E-Auto-Absatzes bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts. Foto: factum/Granville

Daimler gibt mit der Weltpremiere des Mercedes-Benz EQC den Startschuss für eine große Elektro-Offensive. Mercedes-Entwicklungschef Ola Källenius rechnet mit einer starken Nachfrage. Ein hohes Innovationstempo soll zu sinkenden Kosten beitragen.

Stuttgart - Mit der Weltpremiere des Geländewagens EQC startet Mercedes-Benz am Dienstag eine Elektro-Offensive. Entwicklungschef Ola Källenius zeigt sich überzeugt, dass der Stromer die Kunden mit seinen Leistungen begeistert und ein großer Erfolg wird. Zugleich weist er jedoch darauf hin, dass der Autobauer bei den E-Autos besonders auf die Kosten achten muss.

Herr Källenius, freut es Sie, dass die große Elektro-Offensive von Mercedes-Benz mit der Weltpremiere des Geländewagens EQC in Ihrer Heimat Schweden gestartet wird?

Wir haben Stockholm ausgewählt, weil wir hier in Kombination mit der Weltpremiere auch gleichzeitig unsere Zukunftskonferenz, die „Me Convention“, veranstalten. Dabei geht es um Technologie, aber auch um gesellschaftliche Zukunftsthemen. Stockholm ist eine weltoffene progressive Stadt, die auch für Nachhaltigkeit steht. Hier gibt es viele Menschen, die aufgeschlossen für technische Neuheiten sind und auch Käufer des EQC sein könnten. Wir haben gesagt, das passt gut zusammen. Ich freue mich drauf.

Es ist ein offenes Geheimnis in der Autobranche, dass heute kein Hersteller mit Elektroautos Gewinne erzielt. Wie sieht dies beim EQC aus?

Wir nennen keine Gewinnspannen für einzelne Modelle. Aber auch hier gilt das generelle Ziel eines profitablen Wachstums. Es ist klar, dass die Kosten eine der großen Herausforderungen sind, weil sie bei Elektroautos höher sind, als wir es bei Verbrennungsmotoren gewohnt sind. Wir planen jedoch deutlich steigende Stückzahlen. Bis 2025 werden 15 bis 25 Prozent der verkauften Autos einen Elektroantrieb haben. Das sind dann nicht einige tausend, sondern hunderttausende von Autos im Jahr. Diese hohen Stückzahlen bringen Kostenvorteile in der Produktion. Aber auch die Technologie, etwa die Batterietechnik, wird in den kommenden Jahren erheblich weiterentwickelt, was sich ebenfalls positiv auf die Kosten auswirkt.

Bis 2022 soll unter dem Namen EQ eine ganze Familie von zehn E-Autos auf den Markt kommen. Stehen die Zulieferer für diese Modelle bereits fest? Der Betriebsrat kämpft ja dafür, dass mehr Komponenten in Daimler-Werken produziert werden.

Ein Großteil ist entschieden, aber nicht alles. Wie Sie in den vergangenen Monaten gesehen haben, erweitern wir beispielsweise weltweit in unseren Werken die Kapazitäten bei der Batteriemontage. Auch in Untertürkheim und Sindelfingen werden künftig Batteriesysteme montiert. Uns ist wichtig, dass wir auf allen Feldern die Entwicklungskompetenz haben, ganz gleich, ob wir Komponenten selbst herstellen oder zukaufen. Bei der Entscheidung über Eigenfertigung und Zukauf orientieren wir uns daran, was uns technisch am weitesten bringt. Dabei werden wir aber auch berücksichtigen, in welcher Konstellation die Produktionskosten am niedrigsten sind.

Den Elektromotor fertigen Audi und BMW in Eigenregie, weil beide Autobauer sich davon Wettbewerbsvorteile versprechen, während er bei Daimler aus einem Gemeinschaftsunternehmen mit Bosch in Hildesheim kommt. Halten Sie den Elektromotor für nicht so wichtig?

Der Elektromotor ist sehr wichtig, genauso wie das Getriebe, die Achsen und andere Komponenten. Die Innovationsgeschwindigkeit bei den Zulieferern ist aber auch hoch. Davon können wir profitieren, wenn wir die Entwicklungskompetenz bündeln und das beste Angebot erhalten, das es auf dem Markt gibt. Wir arbeiten beim Elektromotor mit mehreren Partnern zusammen, nicht nur mit Bosch.

Beim Elektro-Smart kämpft Daimler mit Lieferengpässen, weil der Absatz stärker als erwartet ist und die Lieferanten nun nicht mehr so rasch produzieren können. Haben Sie zu vorsichtig geplant? Und wie wollen Sie verhindern, dass dies auch beim EQC und den weiteren Elektromodellen von Mercedes-Benz passiert?

Zunächst einmal freuen wir uns natürlich über die große Nachfrage nach den Elektroautos von Smart. Wir haben durchaus eine anspruchsvolle Absatzplanung gemacht, doch jetzt ist die Nachfrage noch größer als erwartet. Wir tun alles, um die Produktion möglichst rasch hochzufahren. Dieses Phänomen ist aber nicht neu. Auch beim Mercedes-Benz GLC beispielsweise ist die Nachfrage deutlich höher als wir geplant haben. Der finnische Auftragsfertiger Valmet hilft uns in dem Fall dabei, mehr GLC zu produzieren.

Wenn die Kunden zu lange auf ihr neues Elektroauto warten müssen, werden sie verärgert sein oder eine andere Marke kaufen.

Das wollen wir nicht. Das ist klar. Ich bin optimistisch, dass die Nachfrage auch beim EQC hoch sein wird. Natürlich werden wir auch bei diesem Elektroauto die Produktion so schnell hochfahren wie wir können. Wenn die Nachfrage noch größer sein sollte, werden wir nachlegen.

Ausgerechnet Mitte nächsten Jahres, wenn der EQC auf den Markt kommt, läuft in Deutschland die staatliche Umweltprämie für E-Autos aus. Ist das ein Problem?

Wir fordern keine staatliche Anschubhilfe, sie hilft aber natürlich in der Startphase. Wir werden unsere weltweite Elektro-Offensive unabhängig von der Frage durchziehen, ob es in einem Land staatliche Kaufanreize gibt oder nicht. Der EQC wird die Kunden mit seinen Leistungen überzeugen. Da bin ich optimistisch. Auf eine längere Sicht ist ein gutes Netz von Ladesäulen wichtiger als staatliche Kaufanreize. Auch wir investieren gemeinsam mit Partnern wie etwa im Joint-Venture Ionity in die Infrastruktur und bauen Schnellladestationen auf, um hier Lücken zu schließen.

Weil die schweren Geländewagen von Mercedes-Benz besonders gefragt sind, ist der Flottenverbrauch in Europa gestiegen. Autoexperten warnen schon davor, dass womöglich Strafzahlungen in Milliardenhöhe fällig werden, wenn das CO2-Ziel für 2020 nicht erreicht werden kann. Können Sie dies mit den Elektroautos noch verhindern?

Wir schaffen mit vielfältigen Maßnahmen die technischen Voraussetzungen dafür, dass wir das Ziel erreichen können. Die Elektroautos sind ein Teil davon. Dazu zählt auch, dass wir das Angebot an Plug-in-Hybriden deutlich erweitern werden. Wir planen Plug-in-Hybride von der A-Klasse bis zur S-Klasse, werden die Aerodynamik sowie den Rollwiderstand noch weiter verringern und vieles mehr. Dennoch wird es sicher eine große Herausforderung, das Flottenziel für 2020 zu erreichen.

Auch in China muss Daimler bald eine schwierige Hürde nehmen. Schon im nächsten Jahr müssen zehn Prozent aller verkauften Fahrzeuge einen alternativen Antrieb haben. Schaffen Sie das oder müssen Sie dort eine Strafe zahlen?

Wir werden den EQC sowie eine Reihe weiterer Modelle in China produzieren. Auch dort wird es eine Elektrifizierung auf breiter Front geben. Das sind unsere Portfoliomaßnahmen, die auch der Erfüllung der sogenannten NEV-Quote dienen werden. Das Quotengesetz sieht außerdem vor, dass Credits zwischen Unternehmen gehandelt werden können, sodass wir die rechtlichen Vorgaben einhalten werden.

Gemeinsam mit dem chinesischen Partner BYD produziert Daimler schon seit einigen Jahren Elektroautos der Marke Denza in China. Bisher ist der Absatz aber noch nicht so richtig in Schwung gekommen.

2017 hatten wir bei Denza eine gute Wachstumsrate. Zudem führen wir gerade einen weiterentwickelten Denza mit größerer Reichweite ein. Das Auto ist also attraktiv, deshalb sehe ich gute Chancen.

In diesem Jahr startet auch das Brennstoffzellenauto Mercedes-Benz GLC F-Cell, das ja ebenfalls elektrisch fährt. Macht dies dem Elektroauto EQC Konkurrenz?

Nein, macht es ihm nicht. Die Brennstoffzelle ist und bleibt eine Technologie, die auf längere Sicht eine große Bedeutung bekommen kann. Auf kurze und mittlere Sicht wollen wir jedoch zunächst die batteriebetriebenen Modelle der EQ-Familie in die Großserie bringen. Beim Brennstoffzellenauto startet in diesen Tagen die Produktion einer Kleinserie mit der neuesten Technologie, mit der wir zunächst die Erfahrungen der Kunden in der Praxis testen wollen. Zugleich entwickeln wir schon die nächste Generation des Brennstoffzellenantriebs, der noch kompakter und leistungsfähiger sein wird. Zudem müssen auch die Kosten erheblich sinken, die bisher noch deutlich höher sind als beim batterieelektrischen Antrieb.

Daimler hat schon viel Geld für die Entwicklung des Brennstoffzellenantriebs ausgegeben. Toyota und Hyundai sind aber früher mit Autos auf den Markt gekommen. Haben die Asiaten Daimler überholt?

Nein, technologisch sind wir mit vorne. Das werden Sie sehen, wenn Sie den GLC F-Cell fahren. In der Kombination von Fahrleistungen und Energieverbrauch ist es vielleicht das leistungsfähigste Brennstoffzellenfahrzeug, das jemals entwickelt wurde. Ob und wann wir ein solches Auto in größeren Stückzahlen produzieren, ist heute eine offene Frage. Wir stellen aber sicher, dass wir es können, indem wir unser Knowhow im Konzernverbund weiterentwickeln. Langfristig kann die Brennstoffzelle attraktiv sein, vor allem in größeren Fahrzeugen. Ich wäre nicht überrascht, wenn der erste große Serieneinsatz in einem Bus erfolgen würde.