Die Bauern blockierten die Zufahrten der Autobahn. Foto: /Stefanie Schlecht

Rund 1200 Traktoren haben sich im Kreis Böblingen an Protestfahrten gegen die Politik der Bundesregierung beteiligt. Der Verkehr kam zum Erliegen.

Es ist 7.30 Uhr: Das einzige, das sich noch bewegt, sind die Schneeflocken. In Holzgerlingen ist der Zubringer auf die A 81 nach Singen dicht.

Die Bauernproteste gegen die steuerlichen Mehrbelastungen sind am Montag gegen 5 Uhr gestartet. Angemeldet waren rund 20 Versammlungen in den Landkreisen Böblingen und Ludwigsburg, geworden sind es knapp 40 mit rund 1200 Traktoren, davon 23 im Landkreis Böblingen und 16 im Landkreis Ludwigsburg.

Bei Minus 3 Grad steigen weiße Qualmwolken auf. Die Autofahrer sind diszipliniert, als würden sie sich mit dem Bauernprotest solidarisieren, der ihren Weg zur Arbeit um schätzungsweise eine Stunde verzögert. Im Stau stehen Lastwagen mit Warnblinkern, die zu den Demonstranten gehören und zu ihren Sammelpunkten unterwegs sind. „Im Handwerk gilt die Meisterpflicht, in der Politik leider nicht“, steht auf einem der blinkenden 3,5-Tonner.

Jetzt breitet sich die Stauwelle auch auf die anderen Straßen aus. Die Einfallstraße nach Böblingen ist eine einzige rote Lichterkette. Die Straßen rund um Böblingen haben sich in gigantische Parkplätze verwandelt.

„Es geht um den Stellenwert der Lebensmittelproduktion“

Zur gleichen Zeit meldet die Polizei: „Die für heute angekündigten Versammlungen und Demonstrationen der Landwirte machen sich zunehmend im Straßenverkehr bemerkbar. Nach und nach beteiligen sich auch Lastwagen an den Protestaktionen.“ Die Polizei ist mit rund 100 Kräften im Einsatz, das Präsidium in Ludwigsburg musste sogar seine Pressestelle schließen, um genügend Leute vor Ort zu haben.

7.45 Uhr: Die Fahrzeugkolonne von Daniel Dengler, dem Vorsitzenden des Bauernverbandes Nordschwarzwald-Gäu-Enz, wartet auf dem Gärtringer Mitfahrparklatz auf Nachzügler, die im selbst verursachten Stau stecken. Sie melden sich nach und nach per Handy. Dengler geht zu den Führerständen der Traktoren und gibt das Signal zum Aufbruch. „Wir protestieren gegen die Erhöhung der Mineralöl-Steuer und der Kraftfahrzeug-Steuer“, sagt er, „aber letzten Endes geht es um den Stellenwert der Lebensmittelproduktion in unserer Gesellschaft.“

„Es ist viel zu viel“

Die ersten Traktoren fahren los, vor ihre Kühler haben sie Transparente gespannt. „Es ist viel zu viel, die Ampel ruiniert die Landwirtschaft“, steht da. Wie hart die Bauern die Erhöhung der Dieselpreise treffe, hänge von der Betriebsgröße ab, erklärt Dengler, die Bauern rechnen mit etwa 120 Liter Diesel-Verbrauch pro Hektar.

Jetzt sind die Nachzügler da und Denglers Gruppe reiht sich in den Protestzug ein. Auf der A 81 kommt der Verkehr zum Erliegen, die Autos fahren in Schrittgeschwindigkeit. Die Traktoren, Laster und Unimogs veranstalten ein Hupkonzert.

Die Behinderungen im Straßenverkehr nehmen weiter zu. „Der Schwerpunkt liegt weiterhin auf dem Landkreis Böblingen“, meldet die Polizei, „wo auch die Autobahnen sowie Anschlussstellen betroffen sind. Insbesondere langsam fahrende Fahrzeuge auf Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen sorgen für Rückstaus. Alle Autofahrer werden daher gebeten, besonders umsichtig und mit großem Sicherheitsabstand zu fahren, um rechtzeitig auf mögliche gefährliche Situationen reagieren zu können.“

Die Autofahrer reagieren mit Anerkennung

Im Landkreis Böblingen sind besonders viele Traktoren auf der Autobahn unterwegs. Dort würden auch Fahrzeuge des Winterdienstes bei ihrer Arbeit behindert, berichtet die Polizei und appelliert an die Teilnehmer, dafür zu sorgen, dass die Straßenmeisterei die Fahrbahnen räumen und streuen kann. Es befinden sich ein Polizeihubschrauber und Drohnen im Einsatz, um die Lage besser einschätzen zu können.

8.15 Uhr: Eine Gruppe von Traktoren rollt auf den Mitfahrparkplatz in Gärtringen zu. Auf einem Schlepper ist zu lesen: „Wir wollen Respekt ernten und nicht nur Getreide.“ Markus Stollsteimer vom Lindenhof bei Nagold ist seit 5 Uhr unterwegs. Er fuhr mit seiner Gruppe über die alte B 28 von Nagold bis nach Gärtringen und überlegt sich jetzt, ob er den Weg bis Pforzheim noch schafft. Von den Autofahrern und sogar von den Radfahrern, die bei der klirrenden Kälte unterwegs sind, habe seine Gruppe Respekt und Anerkennung geerntet, berichtet er.

Auch ihm geht es um viel mehr als die von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung der Steuer auf den Agrardiesel. Den Bauern ist es einfach zu viel geworden: „Uns wird immer mehr draufgepackt an Kosten und an Dokumentationen“, sagt er. Besonders wenn man bedenke, dass die Bauern EU-weit im internationalen Wettbewerb stünden und die Landwirte in Deutschland beinahe den höchsten Dieselpreis verkraften müssten. „Alle bekommen das gleiche Geld, aber von Land zu Land gibt es unterschiedliche Spielregeln“, kritisiert er.

10.43 Uhr: Die Traktorenkolonne hat sich auf der B 464 weiter in Richtung Böblingen vorangearbeitet: Auf Höhe der Auffahrt zur A 81 blockieren die Trecker nun sogar beide Fahrtrichtungen der Bundesstraße, nichts geht mehr. Die Polizei leitet den Verkehr aus beiden Richtungen daher schon vorher von der B 464 ab auf Ausweichstrecken. Auf einem der Traktoren hängt das Transparent: Für die Zukunft unserer Kinder.