Slevogts Das Champagnerlied/Der „Weiße d’Andrade Foto: Staatsgalerie

Diese erste große Retrospektive des Werks Max Slevogts seit 20 Jahren schöpft erstmals auch aus dem bedeutenden Nachlass des Künstlers, der seit 2011 für die Kunstwissenschaft gesichert wurde, und komplettiert den Blick auf das Schaffen des Malers, Zeichners, Grafikers und Illustrators.

Diese erste große Retrospektive des Werks Max Slevogts seit 20 Jahren schöpft erstmals auch aus dem bedeutenden Nachlass des Künstlers, der seit 2011 für die Kunstwissenschaft gesichert wurde, und komplettiert den Blick auf das Schaffen des Malers, Zeichners, Grafikers und Illustrators.

Mainz - Der Star der Ausstellung kommt als prominente Leihgabe aus der Staatsgalerie Stuttgart: Der portugiesische Bariton Francisco d’Andrade in seiner Paraderolle als Mozarts Don Giovanni hat soeben die bravouröse Champagnerarie dargeboten und erwartet, mit triumphierender Geste am Bühnenrand stehend, den Applaus des Publikums. Porträtiert hat diese glanzvolle Bühnenfigur 1902 Max Slevogt, der nun als ein Hauptvertreter des deutschen Impressionismus in einer umfassenden Schau im Mainzer Landesmuseum gewürdigt wird.

In seinem Rollenporträt des Sängers d’Andrade sind alle Qualitäten vereinigt, welche die Kunst Slevogts auszeichnen: die Leichtigkeit des malerischen Vortrags, die Auflösung der stofflichen Materie im Licht, die musikalische Empfindung, die Klang in visuelle Reize zu überführen vermag, der brillante Kolorismus und die kompositorische Meisterschaft. Darin ist er den anderen deutschen Großmeistern des Impressionismus, Max Liebermann, Lovis Corinth und Fritz von Uhde, durchaus ebenbürtig, in der Modellierung der Formen im Licht jedoch überlegen. Slevogt war, das zeigt die Mainzer Ausstellung, den französischen Impressionisten viel näher als alle seine deutschen Malerkollegen, seine Palette war lichter, als es Liebermanns märkisch-verschattete Lichtregie zuließ, seine Kompositionen freier als Corinths erdschwere Tableaus, seine Themen spielerischer als Uhdes Neohistorismus.

Die Ausstellung in Mainz hat ihren Schwerpunkt im malerischen Werk Slevogts. Beeindruckend viele, nämlich 85 Gemälde, sind in Mainz versammelt und werden von 140 teilweise bisher wenig bekannten Zeichnungen ergänzt, wobei diese einen spannenden Einblick in den Arbeitsprozess von der ersten Bildidee über die spontane Kompositionsskizze mit ihren jeweiligen alternativen Lösungen bis hin zu Detailstudien für einzelne Bildmotive gewähren.

Obwohl Selvogts Werk in Mainz nicht chronologisch, sondern in thematischen Abschnitten ausgestellt wird, ergibt sich dem Besucher doch die künstlerische Entwicklung des 1868 im niederbayerischen Landshut geborenen Slevogt. Dessen Anfänge als Künstler liegen in seinen Studienjahren an der Münchner Akademie, wo er sich am Realismus Wilhelm Leibls orientierte. Eine Serie von vier frühen Selbstporträts dokumentiert einen von der – noch völlig unimpressionistischen – Helldunkelmalerei Wilhelm Leibls und seines älteren Münchner Akademiekollegen Wilhelm Trübner beeinflussten Stil- und Motivfindungsprozess. Gleichzeitig waren Slevogts Jahre in München von der künstlerischen Gegnerschaft zum Malerfürsten Franz von Lenbach geprägt, einem Konflikt, den Slevogt für seine künstlerische Fortentwicklung zu nutzen verstand.

Mit seiner „Ringerschule“ (Slevogt-Galerie, Schloss Ludwigshöhe) landete Slevogt 1893 dann einen Sensationserfolg bei der ersten Ausstellung der im Jahr zuvor gegründeten Münchner Secession. Die rohe maskuline Darstellung einer Kampfszene nahezu nackter Männer, die nicht camoufliert durch ein mythologisches Thema, sondern in ihrer baren Gegenwärtigkeit dargestellt sind, war für Publikum und Kritik ein Zuviel an Realismus. Für Slevogt bedeutete das Gemälde jedoch den künstlerischen Durchbruch, mit dem er sich als Avantgardist und Junger Wilder ins Gespräch gebracht hatte.

Nach der Jahrhundertwende löste sich Slevogt vom Münchner Kunstbetrieb und siedelte im November 1901 nach Berlin über. Hier wurde er als Mitglied der für die fortschrittliche Kunst in Deutschland tonangebenden Berliner Secession und Leiter eines Meisterateliers an der Akademie der bildenden Künste zu einer festen Größe des hauptstädtischen Kulturlebens. Nun hellte sich seine Malerei auf, er gelangte zu seinem lichten, heiteren Malstil und wurde zum Schilderer des großstädtischen Lebens.

Noch während eines viermonatigen Aufenthalts in Frankfurt 1901 waren Darstellungen von Zootieren entstanden, die Slevogt als individuelle Wesen mit porträthaften Zügen – wie einen Orang-Utan namens Seemann (Städel-Museum, Frankfurt) – charakterisierte. Auf der Trabrennbahn in Berlin-Ruhleben schilderte er das Sportereignis als eine hochdynamische Tempoveranstaltung (Städtische Galerie München) mit flottem Pinselstrich und in delikatem Kolorit.

Vor allem war Max Slevogt jedoch der Welt der Musik, des Theaters und der Oper verbunden. Hier gelangen ihm hochbedeutende Darstellungen wie die verschiedenen Rollenporträts seines Freundes d’Andrade, den er als Don Giovanni in mehreren Szenen und unterschiedlichen Kostümen schilderte. Subtilste psychologische Nuancen werden gestaltet, Slevogt gelang es, gleichermaßen die gespielte Rolle wie den darstellenden Künstler zu porträtieren. Er lässt so hinter der Maske der Bühnenfigur das Individuum des Sängers aufscheinen.

In seiner Beschäftigung mit der Welt der Bühne schuf Slevogt ein künstlerisch fintenreiches und virtuoses Vexierspiel von Schein und Sein, Wirklichkeit und Inszenierung, das in den Porträts der japanischen Kabukidarstellerin Sado Yakko von 1901 (Saarlandmuseum Saarbrücken) oder der Flamencotänzerin Marietta di Rigardo, das 1904 entstand (Staatliche Kunstsammlungen Dresden), mit pittoresker Exotik und subtiler Erotik angereichert wurde.

Wie in seinen Porträts zeichnen sich auch Slevogts Landschaftsdarstellungen durch ihre Bodenhaftung und Wahrhaftigkeit aus. In den zahlreichen Schilderungen seiner Pfälzer Wahlheimat – seit 1888 besuchte er das südpfälzische Neukastel regelmäßig und erwarb 1914 mit dem forthin Slevogthof genannten Anwesen ein Sommerdomizil – gelangen ihm hochimpressionistische, den Vorbildern des französischen Impressionismus in nichts nachstehende Natur-Etüden wie der „Blühende Flieder“ (um 1921, Städel- Museum, Frankfurt), dessen duftige Üppigkeit mit einem virtuosen Spiel der Blüten und Blätter im hellen Frühlingslicht entzückt.