Matthias von Herrmann Foto: Peter-Michael Petsch

Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-Plus im Stuttgarter Rathaus beschäftigt von Februar an einen neuen Geschäftsführer. Matthias von Herrmann, Sprecher der aktiven Parkschützer in Stuttgart, wollte den Job.  Durchgesetzt hat sich aber jemand anderes.

Stuttgart - Als Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 ist Matthias von Herrmann bekannt wie ein bunter Hund. Bei der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-Plus im Rathaus konnte der Pressesprecher der aktiven Parkschützer jetzt trotzdem – oder vielleicht auch deswegen – nicht landen. Seine Bewerbung für den Posten des Fraktionsgeschäftsführers ist nach Informationen unserer Zeitung gescheitert, obwohl der von der Linken kommende Fraktionschef Thomas Adler ihn protegiert hatte.

Der von der Wählervereinigung Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) kommende Co-Fraktionschef Hannes Rockenbauch, selbst profilierter Kopf des Protestes gegen S 21, wollte auf dem Posten jemand anderen sehen: seinen SÖS-Mitstreiter, Mit-Architekten und Freund Luigi Pantisano. Genauso kam es. Pantisano beginnt am 1. Februar. Von Herrmann erhielt ein Absageschreiben „ohne Gründe“, was er bedauert: „Ich hätte gern meine Fähigkeiten eingebracht, um die Politik und zivilgesellschaftliche Initiativen zu verbinden“, sagt er. Im Moment ignoriere die Politik zu oft die Bürgerbewegungen.

„Durchgesetzt hat sich das Paket, das die größte Mehrheit fand“, sagt Rockenbauch. Dieses Paket besteht aus Pantisano, der eine 90-Prozent-Stelle erhält, sowie aus Renate Winter-Hoss aus Neckartailfingen. Sie hatte sich auch um die Geschäftsführung beworben, soll nun aber auf einer 70-Prozent-Stelle inhaltliche Zuarbeit leisten. Die Verwaltungswissenschaftlerin fängt an diesem Donnerstag an. Sie hat Erfahrung aus der Flüchtlingsarbeit und der Betreuung von Erwerbslosen. Sie ist auch Heilpraktikerin.

Auch Letzteres kann nicht schaden. Denn wie die Stellenbesetzung aufzeigte, krankt die Fraktionsgemeinschaft aus SÖS, Linke sowie je einem Piraten und einem Studenten an einer gewissen Zerrissenheit. SÖS-Stadtrat Gangolf Stocker, ein Veteran der Anti-S-21-Bewegung, sitzt zwischen den Stühlen. Er soll gedroht haben, er werde die Fraktionsgemeinschaft verlassen, falls von Hermann komme. Er habe befürchtet, so wird kolportiert, dass der Einstieg des Pressesprechers als Übernahme der Fraktion durch die Parkschützer verstanden werden könnte – und die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der Riege leiden würden. Andererseits soll Stocker sich auch mit Pantisano schwer tun.

Schon die Vorgeschichte spricht für sich. Der bisherige Geschäftsführer Martin Schubert galt im Rathaus als fleißig und tüchtig. Dennoch hat man nach der Neukonstituierung der Fraktionsgemeinschaft seine Anstellung befristet und ihn vor die Wahl gestellt, sich erneut zu bewerben – oder zu gehen. Schubert ging. Seit wenigen Tagen arbeitet er auf einer unbefristeten Stelle beim Regierungspräsidium Freiburg.

Bei der Neuausschreibung formulierte die Fraktionsführung ein heftiges Anforderungsprofil. Nicht nur Personalverantwortung, sondern möglicherweise auch Verantwortung für die Fraktionsfinanzen soll der Neue tragen, sich um die Außendarstellung kümmern, die Koordination mit der Verwaltung, anderen Fraktionen und zivilgesellschaftlichen Initiativen übernehmen und strategische Planung leisten – das alles verbunden mit der Aussicht, dass die Stelle bis zum Ende der Amtsperiode des Gemeinderats 2019 befristet ist. Das müsste nicht sein. Die Fraktionsgemeinschaft, sagt Hauptamtsleiter Bernd Reichert, könnte ihr Personal auch bei der Stadt anstellen lassen, dann würde die Stadt im Zweifel für die weitere Verwendung Sorge tragen. Etwa dann, wenn das Wahlergebnis Konsequenzen hat. Die Personalausstattung ist nämlich abhängig vom Fraktionsstatuts (mindestens vier Mandate) und der genauen Mandatszahl. Die Riege entschied sich aber, die Mitarbeiter selbst anzustellen. „Sie kann im Moment über ein Budget für das komplette Personal und Sachausgaben von 186 000 Euro pro Jahr verfügen“, sagt Reichert. Das ist etwas mehr als früher, weil man in der neuen Formation acht Mandate hat. Zuvor hatten SÖS und Linke fünf.

Der Zuwachs verpflichtet. „Wir wollen nicht nur die Tagesarbeit besser managen“, sagt Rockenbauch, „wir wollen noch weniger der Verwaltung und den Tagesordnungen hinterher rennen, sondern auch konzeptionelle und strategisch vorankommen.“ In dem Sinne soll die Neubesetzung helfen. Der Erfolg hängt aber nicht unwesentlich von Thomas Adler ab. Der frühere Daimler-Betriebsrat ist in Rente und hat Zeit. Rockenbauch dagegen nimmt eine halbe Stelle an der Uni wahr, hat daheim eine junge Familie und schreibt an der Doktorarbeit. Mit seinem Freund Pantisano muss nun vor allem Thomas Adler den Karren ziehen. Das könnte Nachwehen mit sich bringen.