Jetzt ist besonnenes Handeln gefragt: Für einen Katastrophenalarm sieht die Landesregierung um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Mitte) derzeit noch keinen Anlass. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Baden-Württemberg versucht, die Zahl der Ansteckungen durch das Coronavirus in den Griff zu kriegen. Unterdessen holt Bayern holt das große Notfallbesteck hervor und ruft den Katastrophenfall aus– warum nicht auch Baden-Württemberg?

Stuttgart/München - Bayern geht voran, und Baden-Württemberg hechelt hinterher? Dieser Eindruck konnte entstehen, als der Münchener Regierungschef Markus Söder vergangene Woche bei Schulschließungen den Takt vorgab. Am Montagmorgen rief er wegen Corona sogar den Katastrophenfall aus, um bürokratische Prozeduren abzukürzen und Durchgriffsmöglichkeiten zu haben.

Doch in Stuttgart folgt man diesmal nicht. „Zum Katastrophenalarm sehen wir noch keine Veranlassung“, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Man arbeite in bewährten Strukturen, die erprobt seien in der Flüchtlingskrise. Auch von einer Ausgangssperre ist noch keine Rede.

Ausschließen will man auch in Stuttgart nichts

Das sieht man auch im Stuttgarter Innenministerium so, der obersten Katastrophenschutzbehörde. Man sei mit dem Instrument eines Verwaltungsstabs, in den auch die Politik eingebunden ist, besser aufgestellt als mit den großen, operativen Gremien, die beim Katastrophenalarm zum Einsatz kommen. In Bayern gebe es einen solchen Verwaltungsstab nicht, heißt es.

Ausschließen will man aber auch in Stuttgart nichts. Zumal der Katastrophenalarm offenbar mehr Rechtssicherheit bietet. „Für die Kommunen wäre das hilfreich, wenn sie jetzt Gemeinderatssitzungen absagen müssen“, heißt es beim Städtetag. Denn vielerorts wird es nun die Hilfskonstruktion geben, dass der Bürgermeister oder OB Eilentscheidungen trifft und dann auf elektronischem Weg das Einvernehmen der Räte herstellt.

Die praktischen Auswirkungen auf das öffentliche Leben unterscheiden sich in beiden Ländern ohnehin nur marginal. Denn auch die Stuttgarter Landesregierung hat am Montag – vergleichbar mit Bayern – die Auflagen derart verschärft, dass menschliche Begegnungen außerhalb der eigenen vier Wände kaum mehr möglich sind. So sieht die Rechtsverordnung etwa das Betriebsverbot von Gaststätten, Kultureinrichtungen und anderen Treffpunkten vor.

In Bayern gilt der Katastrophenfall mit sofortiger Wirkung

In Bayern gilt der Katastrophenfall laut Söder mit sofortiger Wirkung. Geschlossen werden von diesem Dienstag an sämtliche Freizeit- und Kultureinrichtungen: Museen, Bibliotheken, Bäder, Kinos, Clubs, Bars, Spielhallen, Musikschulen, Fitness-Center, Sportplätze, Jugendhäuser und Ähnliches. Veranstaltungen sind nicht mehr erlaubt. Eine Ausgangssperre, so Söder, werde aber nicht verhängt: „Jedenfalls derzeit nicht.“ An Ladengeschäften bleibt nur offen, „was der Grundversorgung dient“, also vor allem Lebensmittel- und Getränkemärkte, Banken, Apotheken, Drogerien, Post, Baumärkte, Tierbedarf. Um Menschenansammlungen zu vermeiden, erlaubt Bayern längere oder gar neue Öffnungszeiten: wochentags bis 22 Uhr und Sonntags von 12 bis 18 Uhr.

In der Gastronomie dürfen lediglich Speiselokale und Betriebskantinen geöffnet bleiben, allerdings auch nur zwischen 6 und 15 Uhr; für die Gäste muss ein Mindestabstand von 1,5 Metern gesichert sein, und es dürfen sich höchstens 30 Personen im Raum aufhalten. Der Katastrophenfall ist in Bayern bisher nur örtlich begrenzt ausgerufen worden – etwa bei Überschwemmungen.