Margarete Helmes zieht es zu ihrer Familie an den Bodensee Foto: privat

Margarete Helmes, die sich lange Zeit in Leonberg und Umgebung ehrenamtlich engagiert hat, sagt ihrer Wahlheimat nun Ade.

Ade zu Leonberg sagt zu Beginn des neuen Jahres eine Frau, die hier tiefe Spuren und große Fußabdrücke hinterlassen hat. Nach 54 Jahre Lebens und Wirkens in ihrer Wahlheimat am Engelberg zieht die Ostfriesin Margarete Helmes zu ihrer ältesten Tochter nach Radolfzell. In über fünf Jahrzehnten in Leonberg hat sie hier viel bewegt.

Margaret Helmes hat die Gabe und die Offenheit, sich für andere Menschen einzusetzen. Doch woher kommt das? „Aus einem Pfarrhaus stammend, war mir ehrenamtliches Denken ganz früh eigen“, sagt Margarete Helmes. Als Tochter des Pastors Siegmund Schomerus und seiner Frau Hildegard in Ostgroßefehn im rauen Ostfriesland geboren, sei es normal gewesen, dass sie und ihre drei Brüder anpackten. Dabei kann sie auf einen Vorfahren blicken, den Widrigkeiten auf seinem Lebensweg auch nicht abgeschreckt haben: Jan Coster. Dieser ist als Weggefährte Martin Luthers mit ihm aus dem Kloster ausgetreten und wurde der Begründer einer langen Reihe von Pfarrern und Ärzten.

Fähigkeit als Verantwortung vor Gott

„Eine Fähigkeit zu haben, ist eine Verantwortung vor Gott, hieß es bei uns zu Hause – deshalb bring sie zum Einsatz!“ Niemand wurde überfordert, jeder leistete das, wofür er befähigt war. „Diese Erziehung hat mich ansprechbar für Aufgaben gemacht und mein Ehemann Norbert hat mich sehr ermutigt“, schildert Margarete Helmes. „Wir Ostfriesen sind ganz schön stur und geben nicht gern etwas von uns preis. Aber er, der Schwabe, meinte: ,Du schaffst das’ und er hatte Recht.“

Ihn hatte die gelernte Hauswirtschaftsleiterin am Paul-Lechler-Krankenhaus, der Tropenklinik in Tübingen, 1959 geheiratet. Norbert Helmes war Direktor für Finanzen im Vorstand des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der DDR-Diakonie. Durch diese Kontakte wurde er zum Freikäufer der Bundesrepublik für inhaftierte DDR-Bürger. „Nicht selten ist er mit seinem Köfferchen, in dem schon mal eine Million Mark drin waren, in geheimer Mission nach Ost-Berlin gereist“, erinnert sich Margarete Helmes an bewegte Zeiten.

Verluste als roter Faden

Vier Töchter wurden der Familie geboren und 1965 ein Sohn. Er hatte das Down-Syndrom und lebte nur sechs Jahre. „Wenn ich den Katalog meiner Ehrenämter über all die Jahre betrachte, so wird für mich eindeutig ein roter Faden sichtbar: Meine Herkunft, der frühe Verlust unseres Sohnes, der frühe Tod meines Mannes, völlig unerwartet während einer Amerika-Reise, haben mein Leben geprägt“, sagt Margarete Helmes. „Die vier gesunden Töchter, dazu keine Verpflichtung, zusätzlich erwerbstätig sein zu müssen, haben in mir eine große Dankbarkeit erzeugt, mich in die Gesellschaft einzubringen und meinen Anteil zu leisten für das Privileg einer wunderbaren Unabhängigkeit“, zieht sie Bilanz.

Und an Ehrenämtern war das Leben von Margarete Helmes reich. Von 1970 an war sie acht Jahre im Vorstand der Lebenshilfe, hat beim Aufbau des Sonderkindergartens geholfen – und in diesem auch gewirkt. 1973 hat Margarete Helmes die Sprachhilfe für ausländische Kinder an der Spitalschule initiiert. 1972 hat sie geholfen, Pro Familia in Leonberg aufzubauen. „Da gab es viele Anfeindungen, wie ich als Christin das unterstützen könne“, erinnert sich die stolze Oma von neun Enkelkindern.

Ein Leben voller Ehrenämter

Heute ist die öffentlich getragene Arbeit mit ihrem vielfältiges Beratungs- und Hilfsangebot in den Bereichen Schwangerschaft und Geburt, Partnerschaft, Sexualität und Familienplanung nicht mehr wegzudenken. Fast 25 Jahre war sie in der Arbeitsgruppe für Ausländerfragen, 15 Jahre die Vorsitzende des Vorstandes der Familien-Bildungsstätte. Von 1981 bis 1999 agierte sie für die FDP im Leonberger Gemeinderat und von 1989 bis 2009 war sie für die Liberalen im Böblinger Kreistag aktiv.

Obwohl sie seit 1981 tätig im Verein „Hospiz, mit der Krankheit leben“ gewesen ist, hat ein Schicksalsschlag – der Tod ihres Mannes 1988 – das Engagement in der Hospizbewegung zur Lebensaufgabe von Margarete Helmes werden lassen. „Eigentlich wollten wir in seinem Ruhestand gemeinsam im Hospiz tätig werden, doch dann haben eigene Erfahrungen dieses Engagement zur Herausforderung meines Lebens werden lassen“, sagt die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.

Zweifellos habe dieses Engagement von ihren politischen Ämtern profitiert, weiß Margarete Helmes. „Da habe ich leichter offene Ohren gefunden.“ Die Krönung sei dann 1999 das erste stationäre Hospiz gewesen. Ebenso wichtig sei das Kinderhospiz, das aus dem 2004 gegründeten Verein „Kinder in Trauersituationen“ hervorgegangen ist. „Heute bin ich nicht mehr rundum leistungsfähig, aber dort aktiv, wo ich noch gebraucht werde“ sagt Margarete Helmes.

Vor einigen Jahren für einen Beitrag in der Leonberger Kreiszeitung befragt, was ihr heilig sei, hat Margarete Helmes weit ausgeholt, bis in ihre Kindheit. Da hätte sie ein sogenanntes Poesie-Album besessen. „Meine Mutter schrieb mir damals etwas hinein - den Verfasser kenne ich nicht - was bis heute Gültigkeit hat: ,Das lass Dir scheiben in Herz und Sinn, dass ich nicht nur für mich selber auf Erden bin, dass ich die Liebe von der ich lebe, liebend an andere weitergebe.’“

Das Haus für die öffnen, denen es schlecht geht

Richtig an Bedeutung habe dieses Motto erst im Erwachsenenalter gewonnen, als das Bewusstsein dafür gewachsen war. „In unsere Verlobungsringe wurde Matthäus 28, Vers 20 eingraviert – die Losung des Tages: ,Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.’ Alle Schicksalsschläge in meinem eigenen und dem Leben anderer waren begleitet von dem Wissen: Ich bin nicht allein – niemals.“

„Vier von fünf meiner Kinder waren und sind gesund und durften eine gute Ausbildung wahrnehmen. Neun Enkelkinder und ein Urenkel machen mein Leben reich! Was will ich mehr?“, zieht Margarete Helmes Bilanz. „Nie selbst vertrieben, bedeutete für mich, mein Haus zu öffnen für Menschen, denen es schlecht ging und mich für Menschen zu engagieren, die Hilfe und Unterstützung brauchen.“ Über viele Jahrzehnte hat sie eine türkische Familie, eine iranische und eine bosnische Familie begleitet und diese sie.

Und zurückkommend auf die Ausgangsfrage im Beitrag unserer Zeitung meinte die heute 88-Jährige, dass es anstatt „heilig“, lieber „wichtig“ heißen sollte. Dazu zähle, dass sie das Privileg habe, versorgt zu sein, ein schönes Zuhause zu haben, nie vertrieben oder hoffnungslos gewesen zu sein und dass daraus die Kraft erwuchs, politisch tätig zu sein und sozialen Einsatz zu leisten. Dies alles, weil Gott ihr diese Kraft geschenkt habe, die bis heute reicht, unabhängig vom Lebensalter. „Ist es mir deshalb heilig? Nein, es ist großer Dank für die Leistungsfähigkeit in all den Jahren. Möge es andere anregen, zu sagen: ,Das kann ich auch’“, gibt Margarete Helmes den Menschen mit auf den Weg, denen sie nun Ade sagt.