Kai Keller hat mit Sarah Scholl unter anderem darüber gesprochen, wie sie zur Fotografie gekommen ist. Foto: Werner Kuhnle

Im Treppenhaus der MZ sind Fotografien von Sarah Scholl zu sehen.

Marbach - Die Reihe „Kunst im MZ-Treppenhaus“ ist immer für eine Überraschung gut. Das hat sich auch bei der Vernissage zur 53. Auflage am späten Samstagmorgen mal wieder gezeigt. Erstmals war die ausstellende Fotografin nämlich auch für das Rahmenprogramm unentbehrlich. Sarah Scholl ist wie Carina Fiedler und Nadine Gütig Sängerin einer noch namenlosen Band um den Gitarristen Ferhat Günsoy, die mit hinreißendem Akustik-Pop die musikalische Untermalung übernommen hatte. Dieser Ausflug von Sarah Scholl in ein anderes künstlerisches Fach stellt alles andere als einen Zufall dar. Im launigen Gespräch mit dem MZ-Geschäftsführer Kai Keller wurde deutlich, dass der 25-Jährigen viele Talente im kreativen Bereich in die Wiege gelegt wurden. So hat sie unter anderem auch ein Faible für die Schauspielerei.

Direkt von Mutter oder Vater geerbt hat sie diese schöpferische Gaben jedoch offenbar nicht. Sie komme aus keiner Künstlerfamilie, sagte sie bei der Vernissage vor rund 80 Besuchern mit einem Schmunzeln. Sie sei aber in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen. Vielleicht habe das eine Rolle gespielt, dass sie eine künstlerische Ader entwickeln konnte. „Aber ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie das gekommen ist“, fügte die Grafikerin hinzu, deren Wurzeln in Großbottwar liegen und die nun in Marbach lebt. Tatsache ist jedenfalls, dass sie über ihren Vater zur Fotografie geführt wurde. Der Papa habe immer Bilder gemacht. „Dann fing es nach und nach auch bei mir an“, sagte Sarah Scholl.

Das war eine glückliche Fügung. Denn die junge Frau mit der großen Leidenschaft für die Kamera hat ein ausgesprochen feines Gespür dafür, Emotionen in Bildern einzufangen – und das hebt ihre Werke aus dem Einheitsbrei der gängigen Porträtfotografie deutlich ab. Aus den Gesichtern der vornehmlich jungen Menschen, die einem aus den Rahmen im MZ-Treppenhaus entgegenblicken, lassen sich völlig unterschiedliche Emotionen ablesen: von nachdenklich und ernsthaft über glücklich und zufrieden bis hin zu völlig gelöst. Dass sich die Models so vor der Kamera öffnen, mag auch mit ihrem speziellen Verhältnis zu Sarah Scholl zusammenhängen. „Ich kenne alle diese Leute. Sie sind mir vertraut“, erklärte sie. Logisch also auch der Titel der Ausstellung: „Vertraut“.

Die 25-Jährige baut aber nicht alleine auf die besondere Beziehung zu den Leuten, die sie porträtiert. Die Models, die nahezu geschlossen zur Vernissage erschienen waren, sollen sich auch wohlfühlen. Wenn Sarah Scholl Bewerbungsfotos macht, bietet sie beispielsweise „immer erst mal einen Kaffee an, damit die Leute runterfahren können“, sagte sie. Sie taste sich dann langsam an die Porträts heran. Manchmal ist es aber auch so, dass sich Sarah Scholl eine fixe Idee in den Kopf gesetzt hat und diese umsetzen möchte. „Ich wollte schon immer ein Bild von einem Mädchen in einem Fluss machen“, erzählte sie lachend. Also haute sie ihre Freundin Nadine Gütig an, die prompt für ein Shooting zur Verfügung stand. Herausgekommen ist eine kleine Serie von geheimnisvollen Fotos, die Gütig im Stile einer Meerjungfrau zeigen.

Ein weiteres Highlight ist eine zweite Reihe an mystisch angehauchten Bildern, die Nadine Gütigs Schwester Tatjana zeigen: barfuß und allein im dunklen Wald. Sie trägt ein knallrotes Kleid und ihre Lippen sind ebenso markant rot gefärbt, womit sie fast wie ein Fabelwesen aus einer anderen Welt wirkt. Ein Hingucker, auch wegen des starken Farbkontrastes – den Sarah Scholl sehr schätzt. Aus diesem Grund hat sie auch eine starke Vorliebe für für Schwarz-Weiß-Fotografien. Kein Hehl machte sie zudem daraus, dass sie an der Bildbearbeitung einen Narren gefressen hat. „Ich stehe total auf Photoshop. Damit spiele ich gerne herum“, erklärte sie. Das ist durchaus hilfreich. Denn das scheinbar wunderbare blaue Gewässer, aus dem Nadine Gütig entstiegen zu sein scheint, war in Wahrheit eine „braune Plörre“, meinte Scholl – die offenkundig auch die Kunst der Retuschierung beherrscht.