Der 66-Jährige ist immer noch in Untersuchungshaft und wird auch im Landgericht Heilbronn bewacht. Foto: Oliver von Schaewen

Beim Prozessauftakt zum Caravanbrand in Siegelhausen gibt es unterschiedliche Angaben zur Ursache.

Marbach/Heilbronn - Im Gerichtssaal ist es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. „Warum warst du nackt?“, fragt der Richter Frank Haberzettl. Die 16-jährige Meike (Name geändert) weint – und schweigt. Doch Haberzettl lässt nicht locker. Er will wissen, was in der Nacht des 29. Oktober vorgefallen ist, als in einem Waldstück des Marbacher Teilorts Siegelhausen ein Wohnwagen samt Auto komplett ausbrannte und der heute 66-jährige Eigentümer sich und das Mädchen in letzter Sekunde retten konnte. Nackt und verletzt klingelten beide anschließend bei einem Bauernhof und baten um Hilfe.

Beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Heilbronn ging es am Mittwoch vor allem um zwei Fragen: Wer hat den Brand gelegt? Und was war der Grund dafür? Angeklagt ist der 66-Jährige aus dem benachbarten Remsecker Stadtteil Hochdorf wegen besonders schwerer Brandstiftung – er soll Meike in Todesgefahr gebracht haben – und gefährlicher Körperverletzung. Denn nicht nur der Rentner erlitt Verbrennungen, auch das Mädchen musste wegen Schnitt- und Brandwunden in einem Krankenhaus behandelt werden.

Der ehemalige Kfz-Mechaniker räumte ein, mit dem Mädchen nackt im Wohnwagen übernachtet zu haben. Sexuell sei aber nichts passiert. „Ich habe ein rein väterliches Verhältnis zu ihr entwickelt“, hatte er zu Beginn erzählt, als er davon berichtete, wie er Meike beim Gassigehen vor zwei Jahren kennengelernt und sie ihm anvertraut habe, unter starken Problemen in der Schule und in der Familie zu leiden. Er habe sie immer wieder in Gesprächen davon abgehalten, sich selbst umzubringen und getröstet. Nackt nebeneinandergelegen habe man an dem Abend, weil man sich zuvor „verlobt“ hätte. Meike habe auf ihn warten wollen, weil er damit rechnete, ein halbes Jahr inhaftiert zu werden. Ein Gericht hatte ihm zuvor auf Betreiben der erziehenden Großeltern den Kontakt untersagt, nachdem die Polizei das vermisste Mädchen bei ihm in der Wohnung entdeckt hatte.

Der Brand sei entstanden, weil er einen Kanister mit Benzin, der draußen immer wieder umgestoßen worden sei, im Inneren des Wohnwagens verstaut habe, so der 66-Jährige. Dass die Gase dann im Zusammenspiel mit der Kerze erst allmählich einen Brand ausgelöst hatten – wie der 66-Jährige behauptet – hält der Richter Frank Haberzettl hingegen für praktisch unmöglich. „Es hätte relativ bald eine Verpuffung geben müssen.“ Auch sei der längere Aufenthalt in einem Raum mit einem derartigen Benzingeruch nicht möglich, sagte ein Polizist in der Verhandlung.

Wie aber kam der Brand dann zustande? Meike hatte am 30. April aufgeschrieben, was passiert war, da eine ihrer sonderpädagogischen Lehrerinnen sie dazu ermutigt hatte. „Ich wollte mich umbringen, ich konnte nicht mehr“, schrieb sie, und sie habe ihn zu überreden versucht, das Feuer zu legen. Er habe zunächst nicht gewollt, dann aber Benzin auf den Boden gegossen, anschließend habe man zehn Minuten gar nichts mehr gesagt – und danach die Duftkerze angezündet. Irgendwann habe sie gesagt: „Wann machen wir es?“ Gemeinsam habe man bis drei gezählt, dann habe man die Kerze auf den Boden fallen lassen. Dies sei allein durch den 66-Jährigen geschehen, sagte Meike auf Nachfrage des Richters.

Ob der Angeklagte die Kerze alleine oder gemeinsam mit dem Mädchen auf den Boden warf, ist eine der wichtigen Fragen in dem Strafprozess, der in diesem Monat weiterverhandelt wird. Wenn Meike selbst beteiligt wäre, hätte sie sich selbst in Todesgefahr gebracht. Das aber scheint nach ihrer Aussage ausschließbar. Auf die Frage des Verteidigers, ob sie von ihren Großeltern unter Druck gesetzt worden sei, antwortete das Mädchen mit „Nein“. Dass es eine Verlobung gegeben habe, bestätigte sie hingegen, ebenso wie den sexuellen Kontakt zu dem damals 65-Jährigen, nachdem der Richter sie mehrmals gefragt hatte, ob sie ein Liebespaar gewesen seien. Auf die Frage, wie sie zur Verlobung jetzt stehe, wollte sie keine Antwort geben – wobei der Richter sie aufklärte, dass man erst im Alter von 18  Jahren verlobungsfähig sei.

Obwohl Kriminaltechniker Nacktbilder von Meike auf den Smartphones von ihm und ihr finden konnten – dafür hatte der 66-Jährige zwei Tage zuvor am Ludwigsburger Amtsgericht wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder eine zehnmonatige Bewährungsstrafe kassiert –, blieb der Angeklagte bei seiner Aussage, er habe keine sexuellen Kontakte zu dem Mädchen gepflegt. Das Liebesverhältnis der Jüngeren zum Älteren ist unter anderem durch Chatverläufe in den Handys belegt. Sätze wie „Ich liebe dich“ oder „Ich will dich spüren“ wertete die vernommene Sachbearbeiterin der Kriminalpolizei Ludwigsburg als eindeutige Hinweise. Die auf den Smartphones gesicherten Unterleibsbilder stammten mit hoher Wahrscheinlichkeit von Meike, so die Polizistin, da die Körperformen dies nahelegten.

Der Verdacht, der 66-Jährige habe das Feuer aus suizidaler Absicht gelegt, erhärtet sich auch durch eine digitale Nachricht an eine Pfarrerin, in deren Kirchengemeinde der Rentner noch auf 400-Euro-Basis jobbte. Am Tag des Feuers hatte er der Seelsorgerin geschrieben, er werde nicht weiterarbeiten, weil er „ins Paradies oder einen Stock tiefer“ fahre.

Ebenfalls wichtig: Diente der Wohnwagen nur als Treffpunkt oder durchgängigen Wohnzwecken? Nur dann sind die Gesetze zur Brandstiftung überhaupt anwendbar, da der Caravan sonst als Gegenstand betrachtbar und prinzipiell anzündbar sei, sagte der Richter. Der 66-Jährige hatte seine Wohnung im Vorfeld abgemeldet, offenbar mit dem Vorsatz, notfalls in dem beheizbaren Wohnwagen zu leben.