Eine angeschossene Taube – leider kein Einzelfall. Foto: BirdLife Malta

Vogelmord ist leider kein Einzelfall. Die Turteltaube, die einzige Taubenart, die auf Wanderschaft geht, ist auch aus diesem Grund zum Vogel des Jahres gewählt worden.

Marbach - Die Turteltaube ist vom Naturschutzbund (Nabu) zum Vogel des Jahres 2020 erkoren worden. Allerdings handele es sich dabei laut Nabu um eine fragwürdige Auszeichnung, denn sie gilt nicht dem häufigen Vorkommen dieses Tieres. Im Gegenteil: Zum Vogel des Jahres wurde die Turteltaube, weil sie bedroht ist. In Mitteleuropa ist die Zahl der Tiere laut Nabu in den vergangenen 30  Jahren stark zurückgegangen. Kaum noch ein Drittel des einstigen Bestands lebt heute hier.

Tauben gibt es an vielen Orten, sagt Klaus Ruge, Marbacher Ornithologe und Vorsitzender des Naturschutzbundes in der Schillerstadt. Ruge erwähnt die Stadttauben, „die auf den Märkten der Städte nach Brotbrocken suchen“, die Ringeltauben, die zuletzt aus der Feldflur in die Ortschaften vordrangen, Türkentauben, „die einst selten waren, denen wir heute an zahlreichen Orten begegnen und schließlich die Hohltaube, eine Waldtaube“.

Dennoch, die zierliche Turteltaube ist in den Augen des Vogelschützers Ruge etwas ganz Besonderes. „Sie ist nicht nur die schönste mit ihrem rotbraunen Gefieder, den dunklen Flecken auf den Flügeln, dem Zebramuster am Hals. Sie hat nicht nur den schönsten Gesang, sie ist auch die einzige unserer Tauben, die uns im Herbst verlässt und auf große Reise geht. Und das ist für sie gefährlich!“

Obwohl die Bestände der Turteltaube schrumpfen, werden nach Angaben des Vereins „Komitee gegen den Vogelmord“ allein in Europa – vor allem im Süden – jährlich mehr als zwei Millionen Turteltauben getötet. Jagdveranstalter werben sogar für Reisen zum Taubenschießen, etwa nach Marokko, weiß Klaus Ruge. Allerdings dürfe jeder Schütze dort „nur“ 5o Turteltauben am Tag schießen.

Hier in Baden-Württemberg findet man Turteltauben am ehesten in der Rheinebene im lichten Wald oder in offenen Landschaften mit Gehölzstreifen und Bäumen, erzählt Klaus Ruge. Dort brüten sie in hohen Gebüschen oder Bäumen. „Sie nisten aber auch an Waldrändern, auf Lichtungen, in Auwäldern oder seltener auf Streuobstwiesen und in großen Parkanlagen.“ In Marbach müsse man schon großes Glück haben, eine Turteltaube zu sehen. Im Winterquartier in Afrika südlich der Sahara bewohnten sie Savannen, offene Landschaften mit Bäumen.

Turteltauben suchen ihre Nahrung am Boden, hat Klaus Ruge herausgefunden. Auf abgeernteten Feldern, auf Flächen mit niedrigem Gras, an Ackerrandstreifen, auf Gemüsefeldern oder auch auf Streuobstwiesen pickten sie Samen von Kräutern. Besonders beliebt seien Erdrauch und Wegerich. Oftmals seien sie dort zusammen mit anderen Tauben zu finden. „Sie fressen nicht nur Samen oder grüne Pflanzenteile, sondern verschlucken auch Steinchen. Diese sogenannten Mahlsteine helfen, die Nahrung im Magen zu zerkleinern.“ Und woher kommt der Name Turteltauben für Liebende? Tatsächlich vom Vogel, erklärt der Ornithologe: „Wenn Turteltauben einen Partner gefunden haben, kraulen sie sich oft gegenseitig am Hals. Darum wird das Wort turteln auch für Menschen gebraucht, die miteinander schmusen.“