Das Männerwohnheim ist vor 50 Jahren eröffnet worden. Foto: Fritzsche

Vor fünfzig Jahren ist das Männerwohnheim an der Nordbahnhofstraße eröffnet worden.

S-Nord - Am Mittwoch, 23. Oktober, ist es genau 50 Jahre her gewesen, dass das Wohnheim an der Nordbahnhofstraße zum ersten Mal seine Türen geöffnet hat. Freilich sind es damals andere Bewohner gewesen, die in den Zimmern ein Dach über dem Kopf finden konnten: In den Nachkriegsjahren waren viele Menschen durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs immer noch wohnungslos, lebten in Wohnlagern und zum Teil sogar in Luftschutzbunkern. Im Jahr 1960 beschloss daher der Gemeinderat, an der Nordbahnhofstraße eine neue Unterkunft zu bauen, drei Jahre später wurde bereits die Einweihung gefeiert, und rund 500 Männer und Frauen konnten einziehen. Damals war es ihnen noch nicht gestattet, tagsüber im Haus zu bleiben: von 17 Uhr an konnten sie kommen, doch spätestens am nächsten Morgen um 8 Uhr mussten sie das Wohnheim wieder verlassen.

2013 hat sich einiges verändert: Ausschließlich Männer leben hier, zurzeit sind es 60 vollstationäre Plätze, 11 Aufnahmeplätze und 10 Notübernachtungsplätze, das Heim wird vom städtischen Eigenbetrieb Leben und Wohnen betrieben. Seit den 1970er Jahren existiert ein pädagogisches Konzept für das Haus, die Bewohner können Freizeit- und Beratungsangebote wahrnehmen und müssen das Haus tagsüber nicht mehr verlassen.

Mit Rollstuhl und Rollator sind die Bewohner da

Einige der Männer, die heute hier wohnen, sind auch zur 50-Jahr-Feier am Mittwochnachmittag gekommen, viele mit Rollator oder Rollstuhl. Der Speisesaal ist herbstlich geschmückt, mit Kürbis- und Laubdekoration, man habe erst überlegt, nicht im Wohnheim selbst zu feiern, so sagt es Susann Boll-Simmler, Leiterin der Einrichtung seit 2009. Eine Feier draußen sei im Oktober aufgrund des wechselhaften Wetters problematisch, und sowohl Martinsgemeinde wie auch Haus 49 seien zu weit weg. „Deshalb feiern wir nun bei uns im Haus, und ich finde, es kann sich sehen lassen“, so Boll-Simmler. Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer spricht von einem Zusammengehörigkeitsgefühl, „einer Verbundenheit in diesem Haus. Das sagt viel über die Atmosphäre hier aus“. Am meisten Beifall bekommt Fezer von den Bewohnern jedoch, als sie resümiert: „Heute leitet eine junge Frau das Heim – das konnte sich damals, vor fünfzig Jahren, auch niemand vorstellen, dass eine Frau ein Männerwohnheim leitet.“

Am eifrigsten klatscht dazu ein Bewohner des Heims, der in der letzten Reihe sitzt. „Die Frau Boll-Simmler, die mag ich“, sagt er laut. Ab und zu wird er von den Mitarbeitern von Leben und Wohnen ermahnt, nicht zu laut zu sprechen, weil schließlich vorne auf der Bühne die Feier in vollem Gang ist. Auf der Bühne spricht Juliane Jersak, die Pfarrerin der Martinskirche, einen Segen, dem Bewohner gefällt das weniger: „Ich war mal sechs Monate lang neuapostolisch, jetzt nicht mehr.“ Auf einmal zitiert er aus der Bibel, aus dem „Hohelied der Liebe“: „Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung: aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Er fängt an zu weinen und sagt: „Ich habe nie Liebe erfahren in meinem Leben.“ Ein Mitarbeiter versucht ihn zu beruhigen, legt ihm die Hand tröstend auf die Schulter.

Neubau des Wohnheims ist geplant

Für die Bewohner des Heims steht in naher Zukunft ein Umzug an: Das Siedlungswerk baut voraussichtlich ab 2015 auf dem Staiger-Areal entlang der Nordbahnhofstraße Wohnungen. In diesem Zug wird das Gebäude des Männerwohnheims abgerissen. Der Eigenbetrieb Leben und Wohnen wird einen Neubau errichten, ein paar hundert Meter weiter um die Ecke an der Friedhofstraße. „Wir möchten so schnell wie möglich bauen“, sagt Susann Boll-Simmler. Momentan gehe es darum, Fördermittel beim Kommunalverband für Jugend und Soziales zu beantragen – was erst geschehen kann, wenn die detaillierten Baupläne vorliegen.