Mit seinem E-Luxusauto setzt der Konzern ein Zeichen und macht dem genialen Vermarkter Elon Musk die Bühne streitig. Doch der Weg zur Klimaneutralität des E-Autos ist noch lang, meint StN-Exklusivautor Klaus Köster.
Stuttgart - Wenn Daimler wieder mal ein neues Automodell vorstellt, ist das keine Präsentation, sondern ein Festakt. Als der Konzern vor knapp 20 Jahren die Luxuslimousine Maybach auf den Markt brachte, ließ man das Auto auf dem Luxusdampfer „Queen Elizabeth II“ von Großbritannien nach New York transportieren. Die S-Klasse wurde einst gar mit dem Superjet A380 von Stuttgart auf den Airbus-Werksflugplatz nach Hamburg gebracht, wo sie in eine eigens an der Landebahn errichtete Festhalle rollte.
Präsentation schont Ressourcen
Heute wirken solche Markenauftritte wie aus der Zeit gefallen. Die Weltpremiere des Mercedes EQS, der ersten rein elektrischen S-Klasse des Daimler-Konzerns, findet an diesem Donnerstag virtuell statt und schont die Ressourcen des Konzerns ebenso wie die des Planeten. Auch mit dem Auto selbst will man zeigen, dass man verstanden hat.
Tesla und sein genialer Vermarkter Elon Musk zeigen bereits seit Jahren, wie viele Sympathiepunkte sich mit einem Fahrzeug erzielen lassen, das scheinbar Unvereinbares miteinander verbindet: die Schonung der Umwelt und geradezu aberwitzige Fahrleistungen, etwa bei der Beschleunigung. Nach langen Verlustjahren verdient Tesla inzwischen sogar Geld – allerdings vor allem deshalb, weil man als reiner Elektrohersteller über Emissionsrechte verfügt, die man für teures Geld an die Hersteller von Benzin- und Dieselautos verkauft. Wie nachhaltig Teslas Geschäftsmodell funktioniert, steht somit noch nicht fest. Daimler will nun beweisen, dass es sich auch finanziell auszahlen kann, gegen den Raketenmann Musk anzutreten. „Wir sind es, die an der Spitze die Maßstäbe setzen“, sagt Konzernchef Ola Källenius und demonstriert damit ein Selbstvertrauen, das Daimler gut zu Gesicht steht.
Bannerträger der E-Strategie
Der EQS ist nicht nur das Flaggschiff des Konzerns, sondern auch der Bannerträger der Strategie, sich bis allerspätestens 2039 vom Verbrennungsmotor zu verabschieden. Damit trägt er auch all die Widersprüchlichkeiten in sich, mit denen ein Hersteller großer und luxuriöser Fahrzeuge umgehen muss, der voll auf die Elektromobilität umschwenkt. Die Batterien sind so groß und schwer, dass man dafür sogar den Radstand verlängerte und deren Gewicht von vielen Hundert Kilogramm lieber nicht genau beziffert. Das Laden geht inzwischen wesentlich schneller, weil das Fahrzeug mit gigantischen Strommengen zurechtkommt, deren ausreichende Verfügbarkeit aber noch gewaltige Investitionen voraussetzt.
Woher soll all der zusätzliche Ökostrom kommen, wenn die Zahl der E-Autos schneller wächst als die der Windräder und Sonnenkollektoren, die all den erneuerbaren Strom erzeugen? In Marbach baut die EnBW derzeit sogar ein neues Ölkraftwerk, das immer dann einspringen soll, wenn es an Ökostrom fehlt und dem Netz die Destabilisierung droht. Es fehlt an Leitungen, Windrädern und Speichermöglichkeiten. Dass Deutschland just in einer Zeit, da die Zahl der E-Autos stark steigt, auch die letzten Atommeiler abschalten will, erhöht die Wahrscheinlichkeit weiter, dass das Wachstum der E-Mobilität mit der reichlichen Nutzung der Kohlekraft einhergeht.
Fehlender Ökostrom verschlechtert Bilanz
Elektrofahrzeuge sind wichtig für die Mobilität, denn ihre Motoren stoßen vor Ort keine Schadstoffe aus. Doch auf absehbare Zeit gehört zu jedem E-Autos noch ein unsichtbarer Auspuff in Form eines Schornsteins. Den Energiemix kann die Autobranche allerdings nicht steuern, sehr wohl aber den Stromverbrauch ihrer Autos. Hier geht Daimler nun deutlich in Vorleistung. Der Konzern wartet nicht auf die Politik, sondern treibt das Ziel der Klimaneutralität mit einem Sprung bei der Energieeffizienz voran. An der Erreichung dieses Ziels wird sich entscheiden, was die Elektromobilität für das Klima tatsächlich bedeutet.