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Die Zahl der Menschen in der Region Stuttgart, die ihre Verbindlichkeiten nicht begleichen können, steigt - auch im Kreis Ludwigsburg.

Ludwigsburg - Eigentlich werden Baden-Württemberg und insbesondere die Region Stuttgart meist mit Wirtschaftskraft und einer geringen Arbeitslosigkeit assoziiert. Dennoch ist im Gegensatz zum deutschlandweiten Trend die Zahl der überschuldeten Menschen in der Region gestiegen. Im Kreis Ludwigsburg etwa hatten im vergangenen Jahr rund 30 800 Menschen massive Schwierigkeiten, ihre Rechnungen zu bezahlen – obwohl viele von ihnen Vollzeit arbeiten.

Den Grund sehen Experten unter anderem in den hohen Lebenshaltungskosten und der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse. „Die Hälfte unserer Kunden sind Arbeitnehmer und Rentner, die andere sind Arbeitslose“, berichtet Katrin Weiss von der Schuldnerberatung des Vereins für Sozialberatung TiB in Ludwigsburg. Zwar seien Arbeitslosigkeit und Trennungen nach wie vor die Hauptursachen für Schulden, doch es gebe immer mehr Menschen, die trotz einer Vollzeitbeschäftigung nicht über die Runden kämen, sagt auch Michael Marek, der Leiter der Schuldnerberatung der Diakonie in Vaihingen.

In vielen Bäckereien etwa gebe es „haarsträubende Arbeitsbedingungen“. Marek berichtet von Verkäuferinnen, die trotz 40 bis 50 Stunden Arbeit in der Woche am Ende des Monats mit einem Nettolohn von 800 bis 900 Euro überleben müssten. Auch in manchen Handwerksberufen, im sozialen Bereich und in der Pflege verdienten viele Angestellte so wenig, dass sie kaum eine Familie ernähren könnten. Viele seien deshalb auf zusätzliche Leistungen vom Arbeitsamt angewiesen.

Viele Banken beraten ihre Kunden schlecht

„Aber die Leute müssen trotzdem Verbindlichkeiten eingehen“, sagt Marek und ist damit bei der nächsten Falle: Seiner Erfahrung nach würden viele Banken ihre Kunden mit schlechter Beratung in Nöte bringen. „Immer wieder geben Banken Kredite an Menschen, die sie nicht zurückzahlen können“, berichtet er. Er habe Fälle erlebt, bei denen die Banken, insbesondere wenn Kredite aufgestockt werden mussten, mehr an den Gebühren verdienten, als die Kunden am Ende ausbezahlt bekamen.

Doch selbst ein günstiger Kredit hilft wenig, wenn etwa ein Hausbesitzer plötzlich von Arbeitslosigkeit überrascht wird und seine Raten nicht mehr aufbringen kann. Im Kreis Ludwigsburg wird die Situation zusätzlich erschwert, weil Menschen mit Schulden aus Immobilienbesitz oder Selbstständigkeit von der Schuldnerberatung des Kreises ausgeschlossen sind.

Der Sprecher des Landratsamtes, Andreas Fritz, begründet das damit, dass die Beratung eine Freiwilligkeitsleistung für Bedürftige sei. Deshalb habe der Kreistag Menschen mit Schulden aus einem früheren Immobilienbesitz oder einer Selbstständigkeit ausgeschlossen. Sie erhalten lediglich einen Beratungsschein, mit dem sie sich bei einem Anwalt Hilfe holen können. Doch alles, was über die Kosten für einen Vergleich mit den Gläubigern hinausgeht, müssen die Betroffenen selbst tragen – und das verursacht oft neue Schulden.

Kreis finanziert drei zusätzliche Schuldenberater

„Soweit wir wissen, ist Ludwigsburg der einzige Kreis, der das so macht“, sagt Michael Marek. Dabei hätten ehemalige Hausbesitzer und gescheiterte Selbstständige die gleichen Probleme wie andere Überschuldete, insbesondere, wenn die Immobilie bereits abgewickelt sei. In Vaihingen würde man Betroffenen deswegen gerne helfen – kann es aber nur bedingt. Denn zwei der 2,7 Beratungsstellen sind vom Kreis finanziert. „Wir haben nur eine 0,7-Prozent-Stelle, die von der Kirche bezahlt wird“, berichtet Marek. „Die Mitarbeiterin kümmert sich nur noch um diese Fälle. Sie ist total überlaufen. Deswegen können wir auch nur noch Fälle aus dem Kirchenbezirk Vaihingen annehmen.“

Dass der Beratungsbedarf im Kreis gestiegen ist, hat man im Landratsamt allerdings erkannt: Der Kreistag hat deshalb zugestimmt, weitere Schuldnerberater zu finanzieren. Von diesem Jahr an wird in Vaihingen, bei der TiB in Ludwigsburg und bei der Beratungsstelle des Kreises je eine zusätzliche Stelle geschaffen, um die zum Teil fast zwölfmonatigen Wartezeiten zu verkürzen. Damit bewegt sich der Kreis in Richtung einer Forderung, die von der Diakonie Baden-Württemberg schon lange erhoben wird: Auf 25 000 Einwohner solle ein Schuldnerberater kommen.

Im Kreis Ludwigsburg gibt es künftig einen für rund 58 000 Einwohner. Im Kreis Esslingen kommen auf einen Berater 60 000 Einwohner und im Rems-Murr-Kreis ist ein Schuldnerberater rechnerisch für 59 000 Menschen zuständig.