Ene mene muh: die Städte sind angezählt Foto: dapd

Im Sommer tritt der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige in Kraft, aber in Ludwigsburg fehlen noch viele Räume. Der Sozialbürgermeister Konrad Seigfried will mit Kindernestern und Interimslösungen die Bilanz verbessern.

Ludwigsburg – Für etwa 34 Prozent der Kleinkinder muss die Stadt Betreuungsplätze vorhalten. Das ist die magische Grenze, die Ludwigsburg aber wohl erst 2014 schaffen wird. Auch in Bezug auf die Ganztagsbetreuung an Schulen muss noch einiges auf den Weg gebracht werden.
Herr Bürgermeister Seigfried, das neue Jahr steht vor der Tür, und damit kommt auch die gesetzliche Verpflichtung für Krippenplätze für die unter Dreijährigen. Wie gut ist Ludwigsburg gerüstet?
Wir haben ja schon 2007 mit dem Ausbau begonnen. Damals haben wir eine Zielquote von 34 Prozent angenommen. Zunächst haben wir geprüft, inwieweit wir in den vorhandenen Einrichtungen etwas umwandeln können. Danach haben wir ein Erweiterungs- und Bauprogramm aufgelegt und drittens – das hat leider sehr lange gedauert – das Thema Kindertagespflege ganz neu positioniert.

Wie liegen Sie im Zeitplan?
Wir sind in der Situation, dass wir unsere Ausbauziele von der Zeit her nicht erreichen. Das heißt, die Maßnahmen sind weitgehend eingeplant. Etwa die Reichertshalde oder das Kinder- und Familienzentrum Poppenweiler, die seit Langem vorbereitet sind, sich aber aus unterschiedlichen Gründen sehr verzögert haben.

Wann wird das Ziel von 34 Prozent erreicht?
Frühestens Ende 2013, wahrscheinlich aber erst Anfang 2014.

Wo steht Ludwigsburg genau?
Wir werden im Sommer bei 28 bis 29 Prozent liegen und nach unseren derzeitigen Planungen Ende 2013 etwa 33 Prozent erreicht haben.

Das ist auf die Gesamtstadt bezogen, aber es gibt Stadtteile, da ist das Angebot sehr dünn.
Sehr prekär finde ich die Situation in Poppenweiler. Da fehlen uns zwei, drei Krippengruppen, die wir erst deutlich später bekommen. Hoheneck ist ebenfalls im Verzug. In Neckarweihingen ist es erstaunlicher Weise nicht so spürbar; da haben wir etwas entlastende Faktoren geschaffen durch das Kindernest und auch dadurch, dass wir unter Dreijährige im Kinder- und Familienzentrum betreuen.

Warum gibt es dieses Ungleichgewicht?
Wir haben traditionell eine Ballung in der Innenstadt. Viel Nachfrage aus den Stadtteilen wird in der Stadt befriedigt.

Dann wäre es ja keine Zumutung für die Eltern, in die Stadtmitte zu fahren?
Unser Ziel ist schon, die Plätze wohnortnah anzubieten. Es ist aber auch so, dass wir viele Arbeitsplätze in der Kernstadt haben. Eltern finden diese Angebote attraktiver, weil die Zeit, die sie mit dem Kind verbringen, länger ist. Das heißt, sie holen ihr Kind ab und sind schon im Auto mit ihm unterwegs. Für viele ist deshalb die Charlottenkrippe eine attraktive Einrichtung.

Die Entfernung ist bei der gesetzlichen Verpflichtung auch nicht festgeschrieben.
Das ist nicht festgelegt. Aber es ist uns dennoch wichtig, die wohnortnahe Betreuung auszubauen. Weil sich dort auch die Peer Groups bilden, die später auch gemeinsam in die Schule gehen.

In Ludwigsburg kommt den Kinder- und Familienzentren eine besondere Bedeutung zu.
Ja, so sollen durchgehende Bildungskarrieren entstehen. Wir bauen die so auf, dass alle Krippenkinder anschließend dort die Kindertagesstätte besuchen können. Das ist ein Ideal, aber das werden wir nicht an jeder Stelle realisieren können.

Sie hatten bei der Tagespflege schon viele Pflöcke eingeschlagen, aber dann stagnierte das Programm Kindernester.
Wir sind mit drei Kindernestern gestartet, das vierte eröffnet im März, ein fünftes ist in Vorbereitung. Im Moment fehlen uns zureichend ausgebildete und geeignete Frauen. Uns hat der Niedergang des Tagesmüttervereins schon getroffen. Über den Verein wurden Frauen auf uns aufmerksam gemacht, die nicht nur gute Tagesmütter sind, sondern auch daran interessiert sind, so einen kleinen Laden zu managen.

Was ist das größere Problem: der Mangel an Erzieherinnen oder der Raummangel?
Den Erzieherinnenmangel spüren wir, aber nicht so, dass wir nicht nachbesetzen könnten. Im Moment fehlt’s an fertigen Einrichtungen. Das treibt mich mehr um.

Im Gemeinderat gab es viel Kritik an den Kosten für die Reichertshalde und das KiFa in Poppenweiler: Bei so hohen Ausgaben werde man den Ausbau nie schaffen.
Diese Kritik wäre berechtigt, wenn unser Ziel wäre, den Ausbau ausschließlich auf der Ebene zu machen. Tatsächlich aber ist es so, dass wir bis zu 30 Prozent über die Kindertagespflege erreichen wollen. Und man muss auch mal sagen, dass wir gut die Hälfte unseres Ausbaus über kostengünstige Baumaßnahmen realisiert haben.

Was halten Sie von der Idee der Freien Wähler, vermehrt die Wohnungsbau GmbH in die Suche nach Kita-Räumen einzubeziehen?
Das ist nichts wirklich Neues. Wir haben schon immer nach Wohnungen geguckt, es sind mehrere aktiviert worden. Etwa in der Jägerstraße. Ich habe den Vorstoß im Gemeinderat eher als Verstärker empfunden.

Was wird noch passieren bis Sommer 2013?
Wir schauen gerade unsere Möglichkeiten durch. Unser Sofortprogramm muss alle Räume nutzen, die wir noch bekommen.

Welches Sofortprogramm?
Ich will noch mal eine Schippe drauflegen. Das geht in Richtung der Kindernester, und wir prüfen zurzeit zum Beispiel, ob wir den ab Januar nicht mehr benötigten Kindergarten am Sonnenberg vorübergehend weiter nutzen können. Es wird noch ein ganzes Bündel von weiteren Maßnahmen geben, die wir im Januar beraten werden.

Wird es Provisorien geben?
Ich will keine Container aufstellen, das wäre eine Notmaßnahme. Ich will eher Räume temporär aktivieren.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen?
Wir sind ganz gut vorangekommen in den letzten Jahren. Wir sind dabei, das ganze Angebot zu harmonisieren. Das ist etwas, was meine Leute gut machen. Die Diakonie und die Arbeiterwohlfahrt unterstützen uns an zwei bedeutenden Stellen: an der Anton-Bruckner-Schule und in Hoheneck. Das größte Manko ist nach wie vor, dass ich ein erhebliches Defizit beim Land sehe: Die Eltern wollen von uns eine gesicherte Betreuung haben, die bis 16 oder 17 Uhr geht. aber der Ganztag endet um 15 Uhr. Das heißt, wir müssen selbst dort, wo es Ganztagsschulen gibt, vor und nach dem Unterricht noch Mantelangebote sichern.

Wie groß ist der Betreuungsaufwand?
Wir administrieren um die 1000 Betreuungsplätze, das ist ein gigantischer Aufwand für eine Kommune.

Reichen diese Plätze aus?
An bestimmten Stellen schon. Wir merken aber auch, wie durch ein Neubaugebiet die Nachfrage noch einmal explodiert. Zum Beispiel in der Schule am Schlösslesfeld.

Die Ferienbetreuung ist Teil dieses Angebots. Wie groß ist die Nachfrage?
Die ist nicht gigantisch groß, aber für viele Eltern ganz wichtig.

Man hat den Eindruck, die Kosten steigen enorm, obwohl das Angebot nur um die Faschings- und die Herbstferien ergänzt wird.
Gut, aber da gab es ja zuletzt den politischen Wunsch, dass wir die Gebühren nicht so anheben. Ich hatte aufgezeigt, wie teuer es wäre, wenn wir alles kostendeckend machen. Dann müssten 100 000 Euro zusätzlich auf die Eltern umgelegt werden.

Wird das Prinzip Kostendeckung verlassen?
Ich kann nicht der Diskussion im Ausschuss vorgreifen, aber das wäre die Folge.

Wo muss die Stadt noch nachsteuern?
Es geht jetzt darum, Schulen räumlich so zu ertüchtigen, dass der Ganztag auch tatsächlich an den Schulen stattfinden kann. In Pflugfelden etwa haben wir gerade drei Gruppen, davon sind nur zwei an der Schule und eine läuft durch den Ort. Diese Gruppe ist über dem katholischen Kindergarten untergebracht. Das ist in anderen Stadtteilen auch so. Aber die Perspektive kann nur sein: eine Betreuung aus einem Guss und an einem Ort, nämlich in der Schule.

Haben Sie dafür auch eine Vorgabe?
Nein, es gibt noch keinen genauen Zeitplan.

Sie gehen aber davon aus, dass der Betreuungsanspruch vom Kindergarten aufwärts wachsen wird.
Ja, das wird sicher so sein. Aber wir bieten heute schon 1000 Plätze an, wir haben 3200 Schüler, etwa ein Drittel ist also versorgt. Wir gehen von einem Bedarf von etwa 40 Prozent in den nächsten Jahren aus.

Im Schlösslesfeld und in der Gartenstraße wird es Verzögerungen geben.
Nein, in der Gartenstraße haben wir ein Zwischenprogramm gestartet. Das ist nicht zeitlich verlagert, es gibt eine Ganztagsschule. Das Optimum wird es aber natürlich erst dann geben, wenn die Mensa fertig ist. Im Schlösslesfeld haben wir sieben Gruppen untergebracht. Auch dort gibt es nur eine bauliche Verzögerung, aber keine in Bezug auf die Betreuung.