Bei der Loveparade im Juli 2010 in Duisburg sind 21 Menschen gestorben. (Archivfoto) Foto: dpa

Das Landgericht Duisburg lehnt die Eröffnung eines Verfahrens wegen der Katastrophe bei der Loveparade im Jahr 2010 ab. Damals fanden 21 Menschen den Tod. Angehörige sind fassungslos, die Staatsanwaltschaft hat Beschwerde eingelegt.

Duisburg - Der Tod von 21 Menschen bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg vor knapp sechs Jahren bleibt womöglich ohne strafrechtliche Folgen. Das Landgericht Duisburg hat die Eröffnung eines Strafprozesses abgelehnt.

Das zentrale Beweismittel der Anklage weist nach Einschätzung der Richter "gravierende inhaltliche und methodische Mängel" auf. Für die Betroffenen ist das eine riesige Enttäuschung. "Momentan stürzt alles ein. Die Angehörigen, die Betroffenen - wir sind fassungslos", sagte Jörn Teich, der bei dem Unglück schwer verletzt wurde.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat eine Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt, dass es keinen Strafprozess zur Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten geben soll. Die ablehnende Entscheidung des Landgerichts sei "nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft", teilte die Anklagebehörde am Dienstag mit.

Bei dem Technofestival in Duisburg am 24. Juli 2010 war es an einer Engstelle zu einem tödlichen Gedränge gekommen. 21 Menschen starben, mindestens 652 wurden verletzt, einige von ihnen schwer.

Anklage gegen sechs Mitarbeiter stützt sich auf Gutachten

Im Februar 2014 hatte die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters erhoben. Ihnen wurde unter anderem fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen.

Dabei stützte sich die Anklage ganz wesentlich auf das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still. Er hatte Fehler bei der Planung, der Genehmigung und der Durchführung der Loveparade ausgemacht. Die zehn Angeschuldigten sollten mitverantwortlich dafür sein, dass die Rampe für den Zu- und Abgang für Zehntausende Besucher verengt wurde.

Doch Still war schnell öffentlich in die Kritik geraten. Auch die 5. Große Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Joachim Schwartz äußerte Zweifel. Nun stellten die Richter dem Briten ein vernichtendes Zeugnis aus. Sein Gutachten sei wegen gravierender Mängel nicht verwertbar. Zudem bestehe die Sorge, das Still nicht unbefangen an den Fall herangegangen sei.

"Die Vorwürfe der Anklage können mit den vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen werden", stellten die Richter deshalb fest. "Eine Verurteilung der Angeklagten ist deshalb nicht zu erwarten."

Opferanwalt spricht von "Justizskandal"

Opferanwalt Julius Reiter, der rund 100 Betroffene vertritt, bezeichnete die Entscheidung als "Justizskandal". Seine Kanzlei wäge weitere juristische Schritte ab.

Auch viele Hinterbliebene sowie Opfer, die das Gedränge überlebt haben, äußerten sich entsetzt. "Ich fühle mich retraumatisiert, das wirft mich einfach wieder auf den Stand der Dinge von 2010 zurück", sagte Manfred Reißaus, der bei dem Unglück seine Tochter verlor. "Es hat uns aufgebaut, dass wir gewartet haben als Eltern, dass mal eine Verhandlung stattfindet." Sein Anwalt sagte, die Opfer des Unglücks würden durch die Entscheidung des Gerichts erneut zu Opfern.

Der Verteidiger eines Angeschuldigten unterstützte die Nichtzulassung des Verfahrens und kritisierte die Ankläger: "Wir brauchen nicht auch noch Angeschuldigte, die zu Opfern einer aus dem Ruder gelaufenen Staatsanwaltschaft werden", teilte Rechtsanwalt Volker Römermann mit.

Staatsanwaltschaft und Nebenkläger können Beschwerde einreichen

Staatsanwaltschaft und Nebenkläger können gegen einen sogenannten Nichteröffnungsbeschluss eine sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen. Kommt es dazu, wird ein Beschwerdesenat die Entscheidung überprüfen. Dies dürfte wiederum einige Zeit in Anspruch nehmen.

Wird die Beschwerde abgelehnt, gibt es kein weiteres Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung. Eine erneute Anklage kann dann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel erhoben werden.

Das Verfahren hatte sich immer wieder in die Länge gezogen, weil die Richter sich durch riesige Mengen an Material arbeiten mussten. Die Hauptakte mit den wichtigsten Unterlagen für den Prozess umfasst mehr als 46 700 Seiten und füllt 99 Aktenordner. Hinzu kommen mehr als 800 Ordner mit ergänzendem Aktenmaterial.

Unabhängig der Absage an ein Strafverfahren wird sich das Landgericht Duisburg weiter mit mehreren Schadenersatzprozessen von Opfern des Unglücks beschäftigen. Am 11. Mai gebe es die nächsten beiden Verfahren, teilte das Gericht mit. Eine 48-Jährige aus Essen und eine 30-Jährige aus Melle bei Osnabrück verlangen dort Schmerzensgeld für die Verletzungen, die sie im Gedränge erlitten.

Insgesamt sind beim Landgericht noch 12 Zivilverfahren anhängig, in denen es um das Loveparade-Unglück geht.