Nach dem Amoklauf von Lörrach wird über ein schärferes Waffenrecht diskutiert.

Herxheim/Stuttgart - Noch ist der Amoklauf von Lörrach nicht endgültig aufgeklärt, da läuft die Debatte um eine mögliche Verschärfung des Waffenrechts bereits auf Hochtouren. Aber die Skepsis über neue Gesetze überwiegt bis jetzt.

Ob Regierung oder Opposition, ob Polizeigewerkschaft oder Schützenverbände: Bei kaum einem anderen Thema herrscht derzeit so große Einigkeit wie in der Ablehnung schärferer Waffengesetze. "Ich sehe nicht die Möglichkeit, mit Gesetzen solche Amokläufe für die Zukunft gänzlich auszuschließen. Ein Restrisiko wird es immer geben", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) am Dienstag nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit Rheinland-Pfalz in Herxheim. Er rate davon ab, "jetzt schnell neue Gesetze zu machen und zu glauben, dass man dann alles im Griff hat". Mit "noch so vielen Ver- und Geboten alleine werden wir solcher Probleme nicht Herr" - zumal wie in diesem Fall niemand habe ahnen können, dass eine Rechtsanwältin zur Amokläuferin werde. "Man muss sich eher fragen, wie verzweifelt jemand sein muss, dass er eine solche Tat begehen kann." Wichtiger als neue Gesetze sei es, die bestehenden Gesetze "stringent und effizient umzusetzen", sagte Mappus und warnte vor einer pauschalen Verdachtnahme der über 200.000 Sportschützen und Jäger im Land. Schon jetzt sei "die Hürde sehr hoch", in Deutschland legal eine Waffe zu besitzen.

Die Amokläuferin von Lörrach, so viel ergaben die Ermittlungen bereits, war einst Mitglied in einem Schützenverein im Neckar-Odenwald-Kreis und besaß ihre Waffe, mit der sie tötete, völlig legal.

Auch der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) ist skeptisch, dass eine weitere Verschärfung solche Amokläufe wie in Lörrach verhindern könnte. "Es ist immer wohlfeil, sofort nach Gesetzesänderungen zu rufen", sagte Beck. Wie Mappus sprach sich auch er für eine "sorgfältige Prüfung aller Fakten" aus. Erst dann könne man über weitere Kontrollmöglichkeiten reden.

"Man muss die Waffen aus den Privathaushalten verbannen"

Aus Sicht von Polizeigewerkschaften und Schützenverbänden hätte auch ein schärferes Waffengesetz den Amoklauf von Lörrach nicht verhindern können. "Wir müssen erst mal die Novellierung des Waffengesetzes, die wir nach Winnenden haben, in die Praxis umsetzen", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, am Dienstag. Die Kommunen könnten schon jetzt die sichere Aufbewahrung von Waffen kontrollieren - unabhängig davon, ob ein Verdacht besteht. Doch dies scheitere vielerorts am mangelnden Personal. Nach Angaben des Deutschen Schützenbundes war die Amokläuferin bereits 1996 aus dem Schützenverein in Nordbaden ausgetreten, hatte ihre Waffe aber behalten. "Dies wäre heute so nicht mehr möglich", sagte der Verbandssprecher Birger Tiemann am Dienstag. Das geltende Recht hätte den Amoklauf verhindern können.

Seit 2003 müsse ein Schützenverein jeden Austritt der kommunalen Behörde melden. Diese prüfe dann, ob der Ausgetretene weiterhin ein berechtigtes Bedürfnis habe, eine Waffe zu besitzen. Wenn ein Sportschütze nicht mehr regelmäßig im Verein schieße, müsse ihm die Waffe jetzt in der Regel abgenommen werden. "Natürlich werden jetzt Generalverdächtigungen über die ganzen Schützen ausgebreitet", so Tiemann. Aber die Schützenvereine seien an strenge gesetzliche Vorgaben gebunden: "Wir haben in Deutschland schon mit eines der strengsten Waffengesetze der Welt."

Die Fraktionschefin der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, mahnte striktere Kontrollen von Waffenbesitzern an. "Die Aufbewahrungsvorschriften müssen stärker überprüft werden", sagte sie am Dienstag in Stuttgart. Eine generelle Verschärfung des Waffenrechts lehnte Homburger jedoch ab. Sie glaube nicht, dass es eine Debatte um das Waffenrecht brauche. Der Amoklauf zeige, dass es absolute Sicherheit nicht geben könne.

Die Hinterbliebenen des Amoklaufs von Winnenden forderten dagegen eine erneute Verschärfung. "Man muss die Waffen aus den Privathaushalten verbannen", sagte Hardy Schober, Mitbegründer des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden. Aus Sicht der Landtags-Grünen ist der Amoklauf von Lörrach Grund genug, das geltende Waffenrecht nochmals zu überprüfen. Man dürfe Sportschützen nicht unter Generalverdacht stellen, sagte der innenpolitische Sprecher Uli Sckerl, allerdings müsse die Frage dringend geklärt werden, "wie lange sich unsere Gesellschaft noch die Aufbewahrung von Waffen und Munition aller Art und in unbegrenzter Anzahl in Privatwohnungen noch leisten" wolle. "Hier halten wir Änderungen für unerlässlich. Waffen müssen Schritt für Schritt aus Privatwohnungen verbannt werden", so Sckerl. Als Sofortmaßnahme fordern die Grünen eine getrennte Aufbewahrung von Waffen und Munition.