Neues Leben, neuer Look: Pete Doherty im Jahr 2023 bei einer Ausstellung seiner Kunstwerke in Düsseldorf. Foto: imago/Olaf Döring

Jahrelang lebte der britische Musiker Pete Doherty seine Drogen-Exzesse in aller Öffentlichkeit aus. An seinem 45. Geburtstag ist er seit einigen Jahren clean und dabei, sich noch einmal neu zu erfinden.

Über weite Strecken seiner bisherigen Karriere machte Pete Doherty (45) eine regelrechte Kunst daraus, seinen Untergang zu zelebrieren. Kunstproduktion und Drogenkonsum schienen bei ihm stets untrennbar miteinander verbunden, in den chaotischen Geschichten seiner Bands The Libertines und Babyshambles spiegelten sich die Auswirkungen seiner jahrzehntelangen Heroin- und Crack-Sucht genauso deutlich wider, wie in seinen obligatorischen Junkie-Augenringen. Auf die regelmäßigen Aufenthalte in Entzugskliniken folgten absehbar wieder Rückfälle, irgendwo dazwischen fanden immer wieder mal ein paar neue Alben und Konzerte statt. Auch seine viel beachtete Beziehung mit dem Supermodel Kate Moss (50) zwischen 2005 und 2007 fiel dem unkontrollierten Lifestyle des Rockmusikers zum Opfer.

Zusammenbruch und Neuanfang im Jahr 2019

Doch seit seinem 40. Geburtstag hat sich das Blatt bei Doherty offensichtlich noch einmal in eine andere Richtung gedreht. Wie er dem "Mirror" berichtete, beschloss er am Ende des Jahres 2019, endgültig mit den harten Drogen aufzuhören. Vorher war es ihm gelungen, in Paris innerhalb von 48 Stunden zweimal wegen Drogendelikte und "Gewalt unter Alkoholeinfluss" verhaftet zu werden, das zweite Mal trug er dabei nur einen Pyjama. Am Ende kam er knapp mit einer Geldstrafe und einer dreimonatigen Bewährungsstrafe davon. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk schilderte er den Wendepunkt folgendermaßen: "Die Libertines-Tour endete Weihnachten 2019 - damals kam ich hierher zurück und bin erstmal zusammengebrochen. Ich bin immer noch dabei, mich davon zu erholen. Seit damals hat sich viel geändert. Ich habe den harten Drogen abgeschworen, unter denen ich für so viele Jahre sozial, psychisch und physisch begraben lag."

"Es war ein Höllenritt"

Zu seiner eigenen Verwunderung ist der ewige Junkie nun seit mehr als vier Jahren tatsächlich clean. Dass er es diesmal durchzieht, liegt seiner Aussage nach zum einen daran, dass ihm das Ausmaß seines Selbstzerstörungstrips irgendwann zu extrem wurde. "Ich bin echt an die Grenzen gegangen", so der Sänger im "Mirror". "Es gab wirklich ein paar knappe Situationen. Ich habe fast meine Füße verloren und solche schrecklichen Dinge. Es war sehr knapp, allein schon wegen der Injektionen. Das passiert, wenn man keine Venen mehr hat. Das alles scheint jetzt schon so lange her zu sein, aber es war ein Höllenritt."

"Die Liebe hat mir das Leben gerettet"

Ein weiterer Grund besteht in seiner neuen Beziehung mit der Musikerin Katia de Vidas, mit der er seit September 2021 verheiratet ist. Die beiden kennen sich durch Dohertys Band The Puta Madres, in der de Vidas die Keyboarderin ist. Am 31. Mai 2023 kam ihre gemeinsame Tochter Billie-May zur Welt. Mit seiner neuen kleinen Familie lebt Doherty seit 2020 in dem französischen Küstenstädtchen Étretat in der Normandie, die Eltern seiner Frau besitzen dort ein Anwesen mit imposantem Blick über die Bucht.

"Die Liebe hat mir das Leben gerettet", so der Sänger im Musikexpress. "Meine Frau hat es gemeistert, sie hat mir das Leben gerettet und das in vielerlei Hinsicht. Was für eine wundervolle Sache." Seine Frau habe allerdings auch darauf bestanden, dass er mit dem Crack und Heroin aufhören müsse, bevor sie ein Kind bekommen würden. Der große Vorteil seines neuen Wohnortes: "Hier in Étretat gibt es keine Drogen". Um zu verhindern, dass er sich dennoch welche beschafft, lebt er seit mehreren Jahren ohne Mobiltelefon und hält sich von sozialen Medien fern. "Weil ich weiß, wie ich bin", so Doherty.

Käse und Kunst statt Crack und Katastrophen

Als Nebeneffekt seiner Drogenabstinenz hat der in früheren Zeiten stets schlaksige Sänger einige Kilo zugenommen, was ihn wesentlich gesünder aussehen lässt. In einem Interview mit dem "Guardian" gab er im Sommer 2022 eindeutige Hinweise auf die Ursache seiner eklatanten Gewichtszunahme: "Es ist ein bisschen peinlich, nicht wahr? Aber ja, der Käse, Mann. Der Käse in dieser Gegend - der Brie, der Camembert. Im Gras ist etwas Besonderes, das schmeckt man in der Milch, hier ist es anders, es ist so cremig. Ich trinke sie literweise. Und die Butter und das Brot und die Saucisson ..."

Dohertys neuer Lebensstil macht ihn produktiver als jemals zuvor. Im Jahr 2020 eröffnete er auf der anderen Seite des Ärmelkanals in dem englischen Küstenort Margate mit seinen Kollegen von The Libertines ein bandeigenes Hotel mit dem Namen "The Albion Rooms". Gelegen an der zentralen Eastern Esplanade lieferte die elegant-flippige Herberge auch den Titel für das neue Libertines-Album "All Quiet on The Eastern Esplanade", das am 8. März 2023 erschien. Dass Doherty es geschafft hat, mit seinem alten Freund Carl Barât (45) noch einmal eine Platte zu produzieren, galt als Sensation. Immerhin liegt die Veröffentlichung ihres letzten Albums "Anthems for Doomed Youth" mittlerweile fast zehn Jahre zurück.

Nüchterne Rückblicke auf die Chaos-Jahre

Seinen klaren Kopf nutzte Doherty in den vergangenen Jahren zudem für mehrere Projekte, die einen Rückblick auf die chaotischen Zeiten werfen, die er nun vorläufig hinter sich gebracht hat. Den Auftakt gab dabei im Jahr 2022 seine Autobiografie "A Likely Lad", in dem er seine Drogenexzesse, Karriere-Highlights und Liebesgeschichten einer kritischen Inventur unterzieht. In mehreren Ausstellungen, unter anderem in Berlin und Düsseldorf, präsentierte er eine Werkschau seiner in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen Kunstwerke, darunter auch einige Bilder, die er auf dem Höhepunkt seiner Junkie-Ära mit seinem eigenen Blut gemalt hatte.

Eine weitere Retrospektive bietet zudem die Ende 2023 veröffentlichte Film-Doku "Stranger in my own skin", für die Dohertys jetzige Ehefrau Katia De Vidas den Musiker über einen Zeitraum von zehn Jahren mit der Kamera begleitet hatte. Der Film dokumentiert vor allem Dohertys letzten großen Kampf gegen die scheinbar unbezwingbare Drogensucht, auch bei einer Entziehungskur in einem thailändischen Kloster war die Filmemacherin mit dabei. Sein natürliches Ende findet die Doku an dem Punkt, als aus Doherty und De Vidas schließlich ein Paar wurde - und der Musiker in ihrem neuen französischen Domizil endgültig Crack gegen Camembert eintauschte.