Einer von vielen Höhepunkten einer großen Karriere: Olympia-Gold in Sydney für Heike Drechsler Foto: Getty

Weltklasse-Weitspringerin, DDR-Vorzeige-Athletin, umstrittene Legende – Heike Drechsler war und ist vieles, nun aber ist sie vor allem überzeugte Karlsruherin. Nicht nur wegen der Leichtathletik in der badischen Stadt.

Karlsruhe - Wer zurzeit in Karlsruhe unterwegs ist, braucht gute Nerven. Die zweitgrößte Stadt im Land gönnt sich eine U-Bahn. An fast jeder Straßenecke wird gebuddelt und gebaut. Wo heute noch der Verkehr fließt, stehen morgen Einbahnstraßenschilder und übermorgen ist die Straße komplett gesperrt. Karlsruhe ist im Umbruch.

Genauso wie Heike Drechsler. „In meinem Leben gab es viele Umbrüche“, sagt die ehemalige Weltklasse-Leichtathletin. Am 16. Dezember feierte sie ihren 50. Geburtstag. Es ist eine Zahl, die einen guten Anlass bietet, die fünf vergangenen Jahrzehnte zu reflektieren. Heike Drechsler sitzt in einem Café in Karlsruhe, voller Elan, leicht gebräunt vom Urlaub auf Kuba. Ihre blonden Haare sind kurz, ihre Figur noch immer perfekt. Nur wenn sie lacht, blitzen kleine Fältchen an ihren Augen auf.

Seit 18 Jahren wohnt Drechsler in Karlsruhe. Gekommen ist sie der Liebe und des Sports wegen. Sie war damals mit dem französischen Zehnkämpfer Alain Blondel liiert. Der neue Lebensmittelpunkt sollte eine Nähe zu Frankreich haben. Die sportlichen Rahmenbedingungen mussten passen „und ein bisschen Charme sollte die Stadt auch haben“, sagt Drechsler. Karlsruhe bietet alles. Heute wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten Steffen Fichtner in der Nordweststadt. Eine schöne und ruhige Gegend, findet sie. Vor allem aber spielt die Leichtathletik in der Fächerstadt eine große Rolle. Trotz schwieriger Bedingungen. Weil der Brandschutz in der Europahalle veraltet ist, standen die großen Leichtathletik-Veranstaltungen vor dem Aus. „Ich bin froh, dass sich die Stadt Gedanken gemacht hat. Sie hat sich bemüht, auch anderswo optimale Bedingungen zu schaffen“, sagt Drechsler.

Die Alternative ist die Messe. Dort finden an diesem Wochenende die deutschen Meisterschaften statt. Drechsler will an beiden Tagen in der Halle sein, eine Autogrammstunde ist geplant. Die Veranstalter freuen sich über die Stars vergangener Tage und Drechsler auf die Athleten von heute. Auf Sosthene Moguenara zum Beispiel. Die Weitspringerin aus Wattenscheid reist mit Weltjahresbestweite (6,86 m) an. „Und ich drücke Melanie Bauschke die Daumen, dass sie die EM-Norm knackt“, sagt Drechsler. Gespannt ist sie aber nicht nur auf den Weitsprung der Frauen, sondern auch auf den Sprint der Männer. „Der deutsche Rekord über 60 Meter könnte fallen“, sagt Drechsler. Weiten, Bestleistungen, Normen – die erfolgreichste deutsche Leichtathletin der Nachwendezeit ist noch nah dran am Geschehen.

1983 in Helsinki wurde Heike Daute, wie sie einst hieß, mit einem Satz von 7,27 Metern Weltmeisterin. 1986 gewann die Sportlerin bei der EM in Stuttgart für die DDR ihren ersten von vier Titeln in Serie, 1993 holte sie am Neckar WM-Gold für das wiedervereinte Deutschland. Eine einzigartige Karriere, die mit den olympischen Goldmedaillen 1992 und 2000 gekrönt wurde. Diese Erfolge, ihre sympathische Art und ihre Bodenständigkeit machten sie zum Publikumsliebling in West und Ost. Doch sportpolitisch ist sie für viele ein rotes Tuch. Dokumente belegen, dass die Thüringerin zumindest Anfang der 80er Jahre Dopingmittel verabreicht wurden. Sie selbst sagt, dass sie nie wissentlich und willentlich Dopingmittel genommen habe. Es sind die Schatten der Vergangenheit, die sie bis verfolgen.

Auch an ihrem 50. Geburtstag wurde sie wieder auf die alten Geschichte angesprochen – auf schöne und unschöne Episoden. „Es kamen viele Emotionen hoch“, sagt sie. Drechsler, die 1964 in Gera geboren wurde, sei aber froh, in der DDR groß geworden zu sein, dass sie all diese Erfahrungen sammeln konnte. „Meine Mutti war alleinerziehend, doch ich konnte meinen Sport machen, weil ich vom Staat gefördert wurde“, sagt Drechsler, aber es waren auch harte Zeiten. Nach der Wende zum Beispiel, als sie begriff, was die DDR für ein Staat gewesen ist, als sie nach und nach verstand, dass auch ihr „Vertrauen missbraucht“ worden war. „Es war hart, sich damit auseinanderzusetzen“, sagt Heike Drechsler.

Auch privat hatte sie in den 90er Jahren mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Scheidung von ihrem Mann Andreas belastete sie sehr. Das Sorgerecht für Sohn Tony bekam sie zugesprochen. Heute sagt sie: „Ich bin zufrieden. Es gab viele Auf und Abs. Aber was ich erlebt habe, möchte ich nicht missen.“ Heike Drechsler ist angekommen in der Gegenwart. Und in Karlsruhe.

Hier könne sie sich vorstellen, alt zu werden. Sie mag die Küche – und selbst das Badnerlied kann sie mittlerweile mitsummen. Zunächst ist sie aber weiter auf der Suche nach Grenzen, nach Bestleistungen. Beruflich zum Beispiel. Sie arbeitet seit vielen Jahren in der Marketingabteilung der Krankenkasse Barmer GEK. Sie bringt die Menschen in Bewegung, hält Vorträge über Prävention. Und sportlich will Drechsler natürlich auch bleiben. Keine Frage: Sie ist noch immer auf dem Sprung. Ihre nächsten Ziele: Halbmarathon und Marathon. „Ich bin eine Läuferin geworden. Eigentlich total untypisch für mich“, sagt Drechsler und muss selbst lachen.

Bei allem, was sie noch vor hat: Karlsruhe soll ihr Mittelpunkt bleiben, wegen des mediterranen Flairs, wegen der Menschen, wegen der Leichtathletik und weil „ich ja weiß, dass ich irgendwann nicht mehr aufpassen muss, in eine Baugrube zu fallen.“

Der Zeitplan der Hallen-DM in Karlsruhe

Samstag
12.30 Uhr: 1500 m, Vorläufe (Männer)
12.45 Uhr: 1500 m, Vorläufe (Frauen) Kugelstoßen (Frauen)
13.00 Uhr: Dreisprung (Frauen)
13.05 Uhr: 800 m, Vorläufe (Frauen)
13.20 Uhr: 800 m, Vorläufe (Männer)
13.40 Uhr: 60 m, Vorläufe (Frauen)
13.55 Uhr: Stabhochsprung (Frauen)
14.20 Uhr: 60 m, Vorläufe (Männer)
14.45 Uhr: 400 m, Zeitvorläufe (Frauen)
14.55 Uhr: Weitsprung (Männer)
15.05 Uhr: 400 m, Zeitvorläufe (Männer)
15.25 Uhr: 3000 m (Männer)
15.35 Uhr: Kugelstoßen (Männer)
15.40 Uhr: 60 m, Zwischenläufe (Frauen)
15.55 Uhr: 60 m, Zwischenläufe (Männer)
16.40 Uhr: 60 m, Finale (Frauen)
16.50 Uhr: 60 m, Finale (Männer)

Sonntag
11.25 Uhr: Dreisprung (Männer)
11.35 Uhr: 200 m, Zeitvorläufe (Frauen)
11.40 Uhr: Hochsprung (Männer)
11.45 Uhr: Hochsprung (Frauen)
11.55 Uhr: Stabhochsprung (Männer)
12.00 Uhr: 200 m, Zeitvorläufe (Männer)
12.30 Uhr: 800 m (Frauen)
12.40 Uhr: 800 m (Männer)
12.50 Uhr: 400 m (Frauen)
13.00 Uhr: 400 m (Männer)
13.15 Uhr: 200 m (Frauen)
13.30 Uhr: 200 m (Männer)
13.40 Uhr: Weitsprung (Frauen)
13.45 Uhr: 60 m Hürden, Vorläufe (Männer)
14.00 Uhr: 60 m Hürden, Vorläufe (Frauen)
14.20 Uhr: 1500 (Frauen)
14.30 Uhr: 1500 m (Männer)
14.40 Uhr: 3000 m (Frauen)
14.55 Uhr: 60 m Hürden (Männer)
15.05 Uhr: 60 m Hürden (Frauen)
15.15 Uhr: 4x200 m (Frauen)
15.30 Uhr: 4x200 m (Männer)

Die Wettbewerbe werden ausschließlich im Internet auf www.leichtathletik.de live übertragen.