Wandifa Sanneh kommt aus Gambia und gilt als extrem talentiert – ob er in Deutschland bleiben darf, ist offen Foto: Saskia Drechsel

Der Flüchtling Wandifa Sanneh aus Gambia begeistert beim VfL Sindelfingen den Sprinttrainer – der 400-Meter-Läufer bringt alles mit, was ein schneller Mann braucht.

Sindelfingen - Es ist einige Monate her, als Wandifa Sanneh erstmals deutschen Boden betrat – bald ein Jahr. Der 19-Jährige stammt aus Gambia, über den genau Ablauf seiner Flucht aus dem westafrikanischen Staat ist wenig bekannt, nur so viel: Über die Niederlande reiste der junge Mann nach Deutschland ein. Im vergangenen Sommer ist er schließlich in Balingen untergekommen, dort besucht er seitdem eine sogenannte VAB-Klasse zum Erwerb von Deutsch-Kenntnissen. Denn noch spricht er diese Sprache nur in Ansätzen, sein Englisch ist da deutlich besser.

Die Betreuung der Flüchtlinge geht deshalb weit über den Unterricht hinaus, auch in das Privatleben ihrer Schützlinge sind die Betreuer eingebunden, die Kommunikation ist nicht immer leicht, aber sie funktioniert. „Wandifa kam auf mich zu, sagte, dass er gerne Leichtathletik macht und hat mir seine Bestzeit über 400 Meter gegeben“, erzählt Gerlinde Bien. Daraufhin kontaktierte sie verschiedene Vereine, der VfL Sindelfingen erklärte sich schnell bereit, den Asylbewerber, der schon bei den Jugend-Weltmeisterschaften 2013 in Donezk angetreten war, bei sich aufzunehmen.

Ein Ausbruch aus dem Alltag

Seit einigen Monaten trainiert Wandifa Sanneh im VfL-Sprintteam unter Trainer Sebastian Marcard, für den Afrikaner ist das Training ein Ausbruch aus dem Alltag. „Der Sport ist das, was er besonders gut kann, ist für ihn ein Ausgleich und gibt ihm Halt und ein gewisses Selbstwertgefühl“, betont Marcard. Auch einen Wettkampf hat das 19 Jahre alte Talent, das sich in seiner Heimat ganz alleine auf den weiten Weg machte, schon im Trikot des VfL absolviert. Bei den süddeutschen Meisterschaften in Karlsruhe trat der Teenager außerhalb der Wertung bei den Männern an.

In seinem ersten Hallenrennen überhaupt konnte er auf Anhieb überzeugen und war 49,45 Sekunden schnell, besonders der Schlussspurt des Gambiers lässt sein Potenzial erahnen. Bei den deutschen Jugendmeisterschaften hätte er es mit dieser Zeit ins Finale geschafft – obwohl er fast ein komplettes Jahr nicht geregelt trainieren konnte. Beim VfL Sindelfingen ist das nun endlich wieder möglich.

Spikes, Turnschuhe, Essenspakete

Drei Mal in der Woche geht es ins Floschenstadion, wo Wandifa Sanneh mit der Trainingsgruppe seine Fähigkeiten schult; weitere drei Einheiten absolviert er alleine in Balingen. Von VfL-Sprinter John-Henry Tate, der ebenfalls afrikanische Gene in sich trägt, wurde Sanneh mit Spikes und Turnschuhen ausgestattet, von Trainer Marcard bekommt der 400-m-Läufer regelmäßig Essenspakete mit auf den Heimweg. Das Geld, das ihm als Flüchtling zur Verfügung steht, würde für diesen Luxus nicht reichen.

Sebastian Marcard freut sich über seinen begabten Trainingsgast. „Wandifa ist ein Wahnsinnstalent. Im Training rennt er alles in Grund und Boden. Er hat eine Schnellkraft – unglaublich“, sagt er. Wandifa Sanneh, der sehr zurückhaltend wird, sobald er die Bahn verlässt, ist ehrgeizig. So schnell wie möglich will er wieder im Bereich seiner Bestleistung laufen, die liegt bei 47,95 Sekunden – damit wäre er der derzeit schnellste U-20-Sprinter Deutschlands über 400 Meter. „Ich gebe im Training alles und arbeite an mir. Meine Ausdauer muss ich noch verbessern. Mein Ziel ist es irgendwann eine 46er-Zeit zu laufen“, sagt er auf Englisch.

Sein Wunsch: Diesen Sommer will er für den VfL starten, doch dies liegt nicht in seiner Macht. Noch läuft sein Asylantrag, es kann jeden Tag passieren, dass er innerhalb einer gewissen Frist aufgefordert wird, die EU zu verlassen und nach Gambia zurückzukehren. Nicht nur beim VfL Sindelfingen hofft jeder, dies möge nie geschehen. Noch ist Wandifa Sanneh ein Talent auf Abruf.