Gute Nachrichten für Versicherungskunden und ihr Sparschwein: Die heftig umstrittenen Abschläge bei Lebensversicherungen kommen womöglich doch nicht. Foto: Fotolia

Während sich der Euro etwas stabilisiert hat, befindet sich die Lebensversicherung in einer tiefen Krise. Beides ist auf die extrem niedrigen Zinsen zurückzuführen. Die Lebensversicherer wollten daher neue Regeln, um weniger Geld ausschütten zu müssen.

Berlin - Einigermaßen kleinlaut hat nun der Chefunterhändler der Union im Vermittlungsausschuss ein Gesetzesvorhaben beerdigt, das für viele Kunden von Lebensversicherungen handfeste Nachteile bedeutet hätte. „Es wird in dieser Legislaturperiode mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Einigung geben“, sagte Michael Meister im Hinblick auf das anhängige Vermittlungsverfahren zu den Bewertungsreserven von Lebensversicherern.

Die Koalition hatte im Herbst – weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit – eine Regelung beschlossen, die einem langgehegten Wunsch von Lebensversicherungen und Bausparkassen entsprach: Künftig sollten sie nicht mehr dazu verpflichtet sein, ihre Kunden zur Hälfte an den Bewertungsreserven zu beteiligen. Bewertungsreserven ist ein Begriff, mit dem in Zeiten ohne Finanz- und Schuldenkrise allenfalls Finanzmathematiker etwas anfangen können. Bewertungsreserven entstehen, wenn festverzinsliche Wertpapiere, die ein Versicherer etwa vor der Krise mit den Beiträgen der Versicherten gekauft hat, zu einem deutlich höheren Wert zu verkaufen wären.

Seit Jahren hält die Europäische Zentralbank die Zinsen künstlich niedrig. Das hat dazu geführt, dass die Bewertungsreserven explodiert sind, weil die alten, hoch verzinslichen Papiere dadurch an Wert gewinnen. Interne Zahlen von Aufsehern belegen offenbar, dass sich die Bewertungsreserven allein bei den festverzinslichen Wertpapieren seit Anfang 2011 fast verdreißigfacht haben, von 2,7 auf 75,1 Milliarden Euro.

Widerstand formierte sich

Es geht also um sehr viel Geld. Für die Branche und /für die Versicherten. Die Versicherten hatten davon aber zunächst keinen blassen Schimmer. Das änderte sich, als das Gesetz im November in dritter Lesung vom Bundestag beschlossen worden war und nur noch die Länderkammer zustimmen sollte. Da bekamen einige Kunden, deren Police Anfang 2013 ausgezahlt werden sollte, Post. Und glaubten ihren Augen kaum: Da hieß es, eine bevorstehende Gesetzesänderung werde dazu führen, dass die Ablaufleistung ihres Vertrags wohl niedriger ausfallen werde. Den Kunden wurde zum Teil geraten, die Verträge sofort zu kündigen, da sie nach altem Recht mehr erwarten dürften.

Langsam formierte sich der Widerstand. In vielen Abgeordnetenbüros gingen Beschwerden ein, Politiker wurden hellhörig. Unter anderem unsere Zeitung machte publik, dass das neue Recht für einzelne Kunden Einbußen von bis zu zehn Prozent bedeutet hätte. Der Bundesparteitag der Union forderte – ausdrücklich gegen die Empfehlung der Antragskommission – die Regierung auf, die Änderung bei den Bewertungsreserven vom Tisch zu nehmen. Zunächst versuchte es die Koalition mit einer sogenannten Härtefallklausel. Sie sollte verhindern, dass die Einbußen über die Fünf-Prozent-Schwelle kletterten. Da sich diese Klausel nur auf den Versichertenbestand bezog, einzelne Kunden also höhere Einbußen zugemutet werden sollten, wurde sie aber mit „weißer Salbe“ verglichen. Als dann im Bundesrat das Gesetz zur Abstimmung anstand, legten einige Länder – der Südwesten war nicht dabei – ihr Veto ein. Der Streit landete im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag. Dem Vernehmen nach waren die Vertreter der SPD auch bereit, dort einen Kompromiss zu schmieden. Er scheiterte aber am Widerstand der Grünen.

Und jetzt? Es bleibt erst einmal alles beim Alten. Versicherte, die in den nächsten Monaten die Auszahlung erwarten, können sich entspannt zurücklehnen. Sie müssen nicht prüfen, ob sich womöglich eine Kündigung lohnt. Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten feiert den Zwischenstand als Etappensieg: „Der BDV begrüßt es, dass es nun erst einmal bei der alten Regelung bleibt.“ Wenn sich auf EU-Ebene ein neues Aufsichtsrecht ergebe, werden die Bewertungsreserven auch hierzulande wieder auf die Tagesordnung kommen. Damit ist aber erst in der nächsten Wahlperiode zu rechnen.