Manches traditionelle Lebensmittel hat eine schlechte Klimabilanz. Das gilt auch für Kakao. Den glaubt das bayerische Startup Qoa ersetzen zu können.
Maximilian Marquart hat Sendungsbewusstsein. „Wichtig ist mir, etwas bewegen zu können“, sagt der 36-jährige Materialwissenschaftler und redet dann über die Kakaobohne. Eine wirklich schlechte Klimabilanz habe dieser in Schokolade verarbeitete Rohstoff, der nur um den Äquator herum angebaut werden kann. Weil Schokolade vom Luxus zur Massenware geworden ist, werde in Anbauländern wie der Elfenbeinküste oder Ghana immer mehr Regenwald gerodet, um Kakao anzupflanzen. „Pro Kilo Schokolade werden 19 Kilogramm Kohlendioxid frei“, referiert Marquart eine Erkenntnis der Universität Oxford. Um das zu ändern, hat er mit seiner Schwester Sara vor gut einem Jahr ein Startup namens Qoa mit heute 20 Beschäftigten gegründet, das den Kakao in Schokolade ersetzen will.
Unermüdlich wurde fermentiert, geröstet und getestet
„Anfangs haben wir in meiner Küche mit Thermomix und kleinen Fermentern experimentiert“, beschreibt der Gründer die ersten Schritte. Die 34-jährige Schwester ist Lebensmittelchemikerin mit zehn Jahren Erfahrung in der Aromaforschung. Ziel war es, mit Alternativstoffen das Aroma einer Kakao-Bohne nachzubilden, das entsteht, wenn die fermentiert und geröstet wird. „Wir haben tausende Rezepturen durchprobiert“, erzählt der 36-jährige.
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Bei Aprikosenkernen und Haferspelzen sei man schließlich fündig geworden, als das Experimentieren von der Küche schon in ein professionelles Labor in einen Münchner Vorort verlegt worden war. Spelzen sind Getreideschalen in dem Fall die von Hafer. Fermentiert und röstet man sie auf die richtige Weise, entstehen Aromen, die mehr als nur an Kakao erinnern. Daraus gemachte kakaofreie Schokolade haben die Erfindergeschwister Lebensmittelprofis zum Verkosten vorgesetzt. „Das Panel hat keinen Unterschied zu herkömmlich fabrizierter Schokolade geschmeckt“, freut sich Marquart heute noch. Inzwischen wurde die Rezeptur mit Hilfe einer Chocolatiere, also einer auf Schokolade spezialisierten Konditorin, geschmacklich weiter verbessert.
Kontakt zu vier großen Süßwarenherstellern
Das Gründerduo fühlt sich jetzt bereit für einen Marktstart 2023. Seit Firmengründung wären dann nur zwei Jahre vergangen. „Wir stehen in Kontakt zu vier großen Süßwarenherstellern aus Deutschland, Frankreich und den USA“, verrät Marquart. Dazu kämen dutzende weitere Interessenten. Namen werden noch nicht genannt. Geplant ist, nächstes Jahr mit ersten kakaofreien Schokoprodukten diesseits und jenseits des Atlantiks zu starten. Vorgeschaltet ist eine Imagekampagne mit Hilfe von Starköchen in den USA noch 2022. „Es gibt anfangs immer Vorbehalte gegen neue Lebensmittel“, weiß Marquart. Wenn US-Sterneköche aber schokoladige Nachspeisen mit Qoa-Kakaoersatz in Fernsehen und Internet zubereiten, kann das Eis gebrochen werden, glauben die erfinderischen Geschwister. „Lebensmittelinnovationen haben ihren Ursprung meist in den USA und schwappen von dort dann nach Europa“, hofft Marquart auch in diesem Fall.
Ein Markt mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro steht offen
Kommet es auf diese Weise zum Durchbruch wäre rasch Massenproduktion nötig. „Wir müssen dann mehrere Tonnen kakaofreie Schokolade pro Stunde produzieren können“, schätzt der Gründer. Produktionshallen dafür in Bayern und Thüringen sehe man sich zusammen mit Maschinenbauern derzeit an. Geldgeber haben zudem gerade gut fünf Millionen Euro in Qoa investiert. Ziel ist es nun, nachhaltige Schokolade ohne Kakao maximal zu Kosten herkömmlicher herstellen zu können. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das preislich schaffen“, sagt Marquart.
Offen stünden dann etwa 70 Prozent des Markts für industriell gehandelte Schokolade, der ein Volumen von gut 30 Milliarden Euro habe. Eigene Schokolade wollen die Geschwister nicht herstellen sondern exklusiv die Süßwarenindustrie beliefern und auf diese Weise die Lieferkette für Schokolade revolutionieren. Als Marke möchten die Schokoladenrevoluzzer trotzdem bekannt werden. Der textile Membranhersteller Goretex ist bei der Strategie ein Vorbild und als junge Lebensmittelfirma auch Oatly.
Das nächste heikle Thema ist Palmöl
Dieses schwedische Startup mit mehrfacher Milliardenbewertung sorgt durch Ersatz von tierischer durch Hafermilch derzeit für Furore. „Wir wollen ein deutsches Oatly schaffen, Deutschland braucht ein großes Lebensmittel-Startup“, sagt Marquart und klingt dabei nicht überheblich. Vor allem in den USA gebe es zwar Konkurrenten, die ebenfalls an Kakao-Alternativen forschen. „Aber das macht mir keine Angst“, sagt Marquart. Der potenzielle Markt sei groß genug für mehrere Firmen. Zudem haben die Geschwister weitere Ideen. Der Prozess zum Ersetzen von Kakao könne im Grundsatz auch für eine nachhaltige Palmöl-Alternative taugen, hat Schwester Sara entdeckt. Denn Palmöl hat auch eine schlechte Klimabilanz. „Unsere Mission ist größer als unsere Firma und Schokolade für uns nur ein erstes Produkt“, sagt ihr Bruder ambitioniert.