Drei Jugendliche haben sich im Landkreis Vechta vergiftet. Foto: dapd

In Niedersachsen vergifteten sich Frauen in Zelt mit Kohlenmonoxid aus glühenden Einweggrills.

Jena/Holdorf/Cloppenburg - Eine 19-Jährige aus Jena hat sich zusammen mit zwei anderen jungen Frauen tief versteckt in einem Wald in Niedersachsen das Leben genommen. Sie vergifteten sich in einem abgedichteten Zelt mit Kohlenmonoxid aus glühenden Einweggrills, berichtete die Polizei am Dienstag in Cloppenburg. „Aufgrund der objektiven und subjektiven Ermittlungen gibt es aus polizeilicher Sicht überhaupt gar keinen Zweifel daran, dass es sich hierbei um einen Freitod handelt“, sagte die Ermittlerin Annemarie Blömer.

Bei den am Montagabend gefundenen Toten handelt es sich um ein 16-jähriges Mädchen aus dem Emsland, eine 18-Jährige aus Immenstadt in Bayern und die 19-Jährige aus Jena.

Polizisten fanden die Leichen nach intensiver Suche in einem großen Waldgebiet in der Gemeinde Holdorf (Landkreis Vechta) - etwa 500 Meter von der nächsten Straße entfernt. Ein Auto oder Fahrräder wurden nicht gefunden. Die Polizei geht davon aus, dass die jungen Frauen zumindest den letzten Weg zu Fuß zurücklegten.

"Der Hubschrauber hätte das Zelt von oben nie sehen können"

Die Frauen hatten ihren Selbstmord den Ermittlungen zufolge gut vorbereitet. Das Igluzelt war mit einer grünen Plane abgedeckt und mit Isolierband abgedichtet. „Der Hubschrauber hätte das Zelt von oben nie sehen können“, berichteten die sichtlich bewegten Ermittler bei der Pressekonferenz. „Sie können sich sicherlich vorstellen, dass wir nicht nur als Polizeibeamte, sondern insbesondere in unserer Eigenschaft als Eltern mehr als betroffen sind“, sagte der Leiter der Cloppenburger Polizei, Gunter Schell.

Die 19-Jährige aus Jena lebte wegen psychischer Probleme in einer betreuten Einrichtung. Von einer Betreuerin kam der Hinweis, der zur Fahndung in Niedersachsen seit der Nacht zum Sonntag führte. Die Polizei konnte den Standort des Handys der jungen Frau grob auf das Gebiet in der Nähe von Cloppenburg eingrenzen. In der Wohnung wurde ein Abschiedsbrief gefunden. Zwei weitere Abschiedsbriefe fanden die Beamten neben dem Zelt. Die Eltern seien nicht völlig überrascht gewesen, sagte Blömer. Das gelte für alle drei Fälle.

Wie die Jugendlichen Kontakt aufgenommen hatten und wie lange sie sich kannten, war zunächst nicht klar. Den Eltern seien die Namen der jeweils anderen Mädchen nicht bekanntgewesen. Staatsanwältin Kathrin Schmelzer hofft, dass sich auf den beschlagnahmten Computern und Handys der drei Hinweise darauf finden lassen. Der Todeszeitpunkt lasse sich erst nach der für Mittwoch geplanten Obduktion näher eingrenzen. Weitere Einzelheiten wollte Schmelzer mit Rücksicht auf die Familien nicht bekanntgeben.

"Über das Internet ist es leichter geworden, sich zu vernetzen"

Kollektiver Selbstmord ist nach Ansicht eines Experten kein Phänomen des Internet-Zeitalters. „Das hat es schon immer gegeben“, sagte der Professor für Rechtspsychologie, Dietmar Heubrock. „Über das Internet ist es leichter geworden, sich zu vernetzen.“

Gerd Storchmann vom Berliner Verein „Neuhland“, der Jugendliche mit Selbstmordgedanken betreut, betonte: „Dieser Fall ist dramatisch und sehr ungewöhnlich für Mädchen.“ Verabredungen zum Suizid seien bei Teenagern sehr gefährlich. Denn die Jugendlichen fühlten eine Art loyale Verpflichtung, ihren Plan auch auszuführen.

Durch neue Medien sei es leichter geworden, Gleichgesinnte zu finden - nur negativ sei die moderne Kommunikation aber auch nicht. „Man kann jetzt auch im letzten Moment einen Hilferuf per SMS schicken“, ergänzte der Experte.

2009 haben sich 587 junge Menschen unter 25 Jahren das Leben genommen - darunter 456 Jungen und 131 Mädchen. Die Zahlen sind im Vergleich zu den Vorjahren relativ konstant. Insgesamt wurden in Deutschland 2009 beim Statistischen Bundesamt 9616 Suizide registriert. Aktuellere Zahlen gibt es noch nicht.