Das Landratsamt macht Nägel mit Köpfen: Aufgrund der angespannten Situation in der Verteilung von Geflüchteten sollen Asylbewerber in dem Gebäude in der Ostertagstraße unterkommen.
Was sich in den vergangenen Tagen angedeutet hat, ist nun sicher: Das ehemalige Seniorenheim am Parksee in der Leonberger Ostertagstraße wird zur Unterkunft für Geflüchtete. Das hat das Landratsamt am Freitagmittag bestätigt. Damit kassiert der Landkreis das einstimmige Votum des Leonberger Gemeinderats. Das Gremium hatte sich gegen die Unterbringung von Geflüchteten in dem Gebäude in der Leonberger Stadtmitte ausgesprochen.
Suche nach Alternativen endete ohne realistisches Resultat
„Die Unterbringung ist Landkreissache“, betont Sebastian Küster, Pressesprecher der Stadt Leonberg, auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Stadtverwaltung habe alles versucht, um alternative Standorte zu finden. „Das hat nicht geklappt.“ Mit dem Votum im Gemeinderat habe man ein Stimmungsbild abgegeben. Darüber hat sich der Landkreis nun hinweggesetzt – auch, weil ihm keine andere Wahl offensichtlich bleibt.
„Die Zugangszahlen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind weiterhin hoch“, schreibt das Landratsamt in Böblingen. Die Landkreise und die Kommunen stehen gleichermaßen unter Druck: Sie müssen die Flüchtlinge unterbringen.
„Aufgrund der hohen Zuweisungszahlen von monatlich bis zu 350 Geflüchteten müssen wir die Kapazität in der vorläufigen Unterbringung im kommenden Jahr auf 3800 Plätze erhöhen“, präzisiert Landrat Roland Bernhard. Die derzeitige Kapazität von 2600 Plätzen sei bis spätestens zum Jahreswechsel ausgeschöpft. „Wir verfolgen, das ehemalige Haus am Parksee in Leonberg, welches im Übrigen leer steht, für die vorläufige Unterbringung zu nutzen“, so der Landrat weiter.
Nutzungsänderung muss Eigentümer bei der Stadt beantragen
Man sei im engen Austausch mit der Stadt Leonberg und hoffe, dass die Nutzungsänderung zeitnah genehmigt wird. Den Antrag hierzu muss der Besitzer der Immobilie – in diesem Fall der Investor Carestone Group GmbH – bei der Stadt Leonberg einreichen. „Zwischen dem Landkreis und Carestone ist das geregelt“, gibt Dusan Minic, im Landratsamt Dezernent für Jugend und Soziales, auf Nachfrage zu Protokoll. Wie lange das dauere? „Es gibt bestimmte Fristen, aber es sind keine Monate“, so Minic. Wie genau der Zeitplan aussieht, steht also noch nicht fest.
Die Rede ist jedoch nach wie vor von „Anfang 2024“. Gesichert ist aktuell: Es handelt sich um eine auf zwei Jahre befristete Lösung – und der Kreis will vor Ablauf dieser 24 Monate gleichwertige andere Objekte prüfen. Derzeit habe man, inklusive der zwei Notunterkünfte in den kreiseigenen Sporthallen am Leonberger Berufsschulzentrum sowie in Sindelfingen, an 26 Standorten 1900 Geflüchtete untergebracht.
Vorhaben hat in Leonberg zuletzt Proteste ausgelöst
Dass das Vorhaben in Leonberg zuletzt Proteste ausgelöst hat, ist Bernhard bewusst. Die Bewohner des Betreuten Wohnens nebenan hatten zur Demonstration vor dem Rathaus aufgerufen, auch hatten sie Anfang Oktober eine Unterschriftenaktion organisiert. Man kämpfe bereits mit genügend Problemen, heißt es dort.
Kirsten Deuschle, die sich um die Belange der Bewohner kümmert, zählt auf: „Drogendealer stehen direkt am Ausgang, die Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung klappt überhaupt nicht, es gibt viele Konflikte.“ Auch hat man offenbar Angst, dass viele junge geflüchtete Männer einziehen werden. „Wir versuchen, in allen unseren Unterkünften eine sozial verträgliche Mischung zu finden“, betont Minic, „und das werden wir auch hier tun.“
„Deswegen wurden Alternativen geprüft, die aber letztlich wirtschaftlich nicht geeignet sind“, sagt Landrat Bernhard. Das Landratsamt hatte auf Vorschlag der Stadt jüngst zum Beispiel das Hotel Plaza Inn – das ehemalige Amber – als Alternative zum Haus am Parksee in den Fokus genommen. Diese Möglichkeit verpuffte aus monetären Gründen. „Es würden beträchtlich höhere Kosten anfallen als beim ehemaligen Haus am Parksee“, heißt es vom Landratsamt. Inzwischen habe auch das Regierungspräsidium Stuttgart diese Einschätzung bestätigt. „Das würde nicht den Grundsätzen wirtschaftlichen und sparsamen Handelns entsprechen.“
Postareal? Auch das Gebäude kam nicht in Frage
Als weitere Alternative wurde das Gebäude auf dem Postareal geprüft. Das kommt aufgrund baulicher Gegebenheiten und des damit verbundenen, sehr hohen Umbauaufwands, nicht in Frage, um dort vorläufig geflüchtete Menschen unterzubringen. Also informierte Landrat Bernhard den Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) mit Schreiben vom 20. November darüber: Die Kreisverwaltung verfolgt die Anmietung des Hauses am Parksee weiter.
Zwischenzeitlich hatte der OB noch eine weitere Idee ins Spiel gebracht: Ob wohl die Firma Bosch über geeignete Liegenschaften oder Grundstücke verfüge, die man nutzen könnte? Die Antwort des Landkreises: „Das Landratsamt hat sich mit der Firma Bosch ausgetauscht. Es gibt leider keine vergleichbare, zeitnah verfügbare Alternative zum Haus am Parksee.“ Der Landkreis arbeitet mit Bosch aber daran, mittelfristige Unterbringungen zu realisieren. Darüber wiederum informierte Landrat Bernhard Oberbürgermeister Cohn mit einem Schreiben vom 30. November.
Dass das Gebäude, um das es geht, bis 2017 noch im Besitz des Landkreises selbst war, gerät angesichts der erhitzten Gemüter fast in den Hintergrund. Roland Bernhard stellt mit Blick auf die öffentliche Diskussion klar: „Vor über 25 Jahren hat der Kreistag die Grundsatzentscheidung getroffen, dass sich der Landkreis Böblingen wie alle anderen Kreise aufgrund gesetzlicher Regelungen aus dem Betrieb von Altenpflegeheimen zurückzieht.“ Das Haus am Parksee der Samariterstiftung war das letzte von acht Heimen, das vom Landkreis betrieben wurde.
„Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung und den Verkaufsgesprächen war von einer Fortführung des Pachtverhältnisses vom Investor mit der Samariterstiftung auszugehen.“ Was zwischen Investor und Samariterstiftung vereinbart war, sei dem Landratsamt jedoch unbekannt. „Es war der Samariterstiftung im Rahmen ihres Vorkaufsrechts angeboten worden. Die Samariterstiftung hatte das Vorkaufsrecht aber nicht ausgeübt.“
Info-Veranstaltung soll folgen – Termin ist noch unklar
Stadtverwaltung und Landratsamt wollen vorab über das weitere Vorgehen informieren. Es soll einen Info-Termin geben, zu dem die Leonberger Bürgerinnen und Bürger eingeladen sein sollen. Wann genau dieser stattfindet, steht nicht fest. „Rechtzeitig vor Beginn der Nutzung“, formuliert Dusan Minic. Das könne auch erst im Januar sein.