Ehe er Feuer legte, hatte der Beschuldigte den Rauchmelder außer Betrieb gesetzt. Foto: dpa

Ein 29-Jähriger hat in einem Stuttgarter Wohnheim eine Spraydose zum Flammenwerfer umfunktioniert und Feuer gelegt. Jetzt steht er wegen 64-fachen Mordversuchs vor Gericht.

Stuttgart - Es hört sich dramatisch an, was Staatsanwalt Peter Kraft dem Mann vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart vorwirft: versuchter Mord in 64 Fällen, versuchte schwere Brandstiftung, versuchte Brandstiftung mit Todesfolge. Trotzdem kann es sein, dass der gebürtige Dresdener ohne Strafe davonkommt. Der 29-Jährige, so heißt es, leide an paranoider Schizophrenie. Bewahrheitet sich dies, bleibt er, wo er derzeit ist – in der Psychiatrie.

Der Mann war im Spätsommer 2017 nach Stuttgart gekommen, nachdem er insgesamt acht Jahre in der Psychiatrie nahe Leipzig verbrachte hatte. „Ich habe mich einfach in irgendeinen Zug gesetzt und bin losgefahren“, sagt er. In Stuttgart kam der Berufslose in der Winternotschlafstelle, dann in einem Wohnheim in der Innenstadt unter. Dort flog er hinaus, weil er eine Glasscheibe zerschlagen hatte. Er bekam eine neue Chance in einem kirchlichen Wohnheim in Stuttgart-Freiberg. Dort hätte es zur Katastrophe kommen können.

Er glaubte, seine Gedanken würden gelesen

In der Nacht auf den 31. Oktober vorigen Jahres fiel der 29-Jährige Wahnattacken zum Opfer. Er habe Halluzinationen und Zwangsgedanken bekommen, sagt er. Er sei fest davon überzeugt gewesen, seine 64 Mitbewohner könnten und würden seine Gedanken lesen. Also musste er aus seiner Sicht seine Gedanken reinigen – mit Feuer.

Er legte den Rauchmelder lahm. Dann riss er den Seifenspender von der Wand, entzündete den Spraynebel seines Deos mit einem Feuerzeug und zündete den im Waschbecken liegenden Seifenspender an. „Ich habe aber gleich Wasser darauflaufen lassen“, sagt der 29-Jährige.

Die Wirkung dieser ersten Gedankenreinigung hielt aber laut Aussage des Mannes nicht lang an. Also drückte er sich Zigaretten auf dem Arm aus und setzte seinen improvisierten Flammenwerfer nacheinander an der Gardine, an der Bettdecke und an einem Kissen ein. Dabei soll er „Ich bringe euch alle um“ gerufen haben.

Tatsächlich ist nicht viel passiert, da die Gegenstände aus schwer entflammbarem Material bestanden hatten. Der Sachschaden beläuft sich auf rund 200 Euro.

Vor Gericht gibt der Beschuldigte zu, rund drei Monate vor der Tat seine Medikamente abgesetzt zu haben. Seinen Marihuanakonsum, dem er seit seinem 14. Lebensjahr nachgeht, habe er allerdings weiterbetrieben. „Ich habe einfach zu viel Drogen genommen und bin so immer weiter in die Krankheit reingerutscht“, sagt er. So sei es auch zur Tat gekommen. Der Beschuldigte besteht darauf: „Ich wollte das Haus nicht abfackeln.“ Der Prozess wird am 8. Mai fortgesetzt.