Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) Foto: dpa

Der Verfassungsschutz steht nach dem NSU-Desaster vor einem Umbau. Die Agenten im Südwesten müssen sich nun auf Einschnitte zugunsten des Bundes einstellen. Doch eine Zentralisierung ist umstritten.

Der Verfassungsschutz steht nach dem NSU-Desaster vor einem Umbau. Die Agenten im Südwesten müssen sich nun auf Einschnitte zugunsten des Bundes einstellen. Doch eine Zentralisierung ist umstritten.

Stuttgart - Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat überraschend eine Abgabe von Kompetenzen des Landesverfassungsschutzes an den Bund ins Gespräch gebracht. „Ich kann mir vorstellen, dass es mehr Sinn macht, zum Beispiel die islamistische Terrorbekämpfung zentral bearbeiten zu lassen als von den 16 Bundesländern“, sagte Gall in Stuttgart.

Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) sagte zwar, die föderale Struktur habe sich bewährt, sprach sich zugleich aber für länderübergreifende Kompetenzzentren aus. Der rheinland-pfälzische Ressortchef Roger Lewentz (SPD) lehnte Galls Vorstoß ab. Um die Reform des Verfassungsschutzes geht es auch bei der bis Freitag dauernden Innenministerkonferenz in Osnabrück.

Gall schlug vor, der Bund könne das Thema Islamismus schwerpunktmäßig übernehmen - beispielsweise im bereits bestehenden gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum. „Da gehört das Thema eigentlich hin“, sagte er. „In diesem Bereich Islamismus kann ich mir vorstellen, dass eine größere Bündelung und Zentralfunktion im Bund mehr Sinn macht als die gegenwärtige Struktur.“

Innensenator Neumann sagte mit Blick auf länderübergreifende Kompetenzzentren: „Eine solche professionelle Bündelung von Aufgaben dient der Stärkung der föderalen Struktur des Nachrichtendienstes.“ Eine „Zentralisierung um der Zentralisierung willen“ lehnte er jedoch ab. Neumann leitet den Arbeitskreis Verfassungsschutz der Innenministerkonferenz.

Lewentz sieht Vorstoß kritisch

Lewentz warnte vor dem Verlust wichtiger örtlicher Erkenntnisse. „Ich bezweifle, dass eine große Megabehörde des Bundes Bedrohungen besser erkennen könnte als die Einrichtungen der Länder“, sagte er in Mainz.

Bei der Neuordnung des Verfassungsschutzes geht es auch um Lehren nach den Ermittlungspannen im Fall der rechten Terrorzelle NSU. Gall hat die Strukturen des Landesverfassungsschutzes untersuchen und mit denen in anderen Ländern vergleichen lassen.

Die baden-württembergischen Regierungspartner Grüne und SPD streiten über die künftige personelle Stärke des Amtes. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann hatte im Sommer erklärt, aus ihrer Sicht seien 30 bis 50 Prozent Stelleneinsparungen drin. Die SPD hingegen mahnte, erst nach einer Reform werde sich zeigen, ob die Stellenzahl sinken könne.

In Baden-Württemberg beschäftigen sich rund 80 der 340 Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz mit Islamismus. „Wenn der Bund mehr zentrale Aufgaben wahrnimmt in diesem Bereich, stellt sich die Frage, ob wir die Mitarbeiter einsparen oder sie in andere Bereiche hineingeben“, sagte Gall. Er wolle das Thema aber nicht allein unter Kostengesichtspunkten diskutieren, sondern „an der Sache orientiert“ entscheiden.

In Baden-Württemberg ist der Spardruck groß. Allein das Innenressort soll im Jahr 2015 rund 12,8 Millionen Euro streichen - im Jahr 2016 dann 21,3 Millionen Euro. Gall räumte ein, noch ratlos zu sein, wie das zu erreichen ist. „Wenn ich die Lösung heute schon wüsste, hätten wir das längst gemacht.“ Das Innenressort gehört zu den Ministerien, bei denen ein Großteil der Ausgaben für Personal draufgeht. Gall erklärt: „Ich habe rund 40 000 Beschäftigte in meinem Ressort. Davon entfallen 30.000 auf die Polizei und 7000 auf die Regierungspräsidien.“ Die Polizei soll von Einsparungen allerdings erst einmal ausgenommen werden.