Keeper Dominik Ferdek (oben) musste sein Team einige Male vor weiteren Gegentreffern bewahren. Foto: Günter Bergmann

Erst behäbig, dann beeindruckend: Im Spiel gegen Bad Boll kommen die Weilimdorfer erst spät ins Rollen

Weilimdorf - Es lief die 90. Minute, da hielt es niemand mehr auf den Sitzen. Die Arme, zuvor noch wegen der eisigen Kälte und einem anhaltenden Dauerregen bibbernd unter den Achseln verschränkt, wurden plötzlich wild nach oben gerissen. Spieler und Betreuer des TSV Weilimdorf rannten von der Seitenline auf das Spielfeld gerade hin auf Carmine Pescione zu und herzten ihren Stürmer. Der Offensivspieler hatte soeben Wundersames und kaum Vorstellbares vollbracht und den Stuttgartern einen 3:2 (0:0)-Heimsieg beschert, mit dem nur 15 Minuten zuvor wohl kein einziger der Zuschauer gerechnet hatte.

Exakt 13 Minuten waren es, die der Deutsch-Italiener benötigte, um einen eigentlich hochverdienten 0:2-Rückstand doch noch gänzlich zu drehen. Zunächst schlenzte der technisch versierte Stürmer in der 77. Minute einen Ball, nachdem er zuvor vom eingewechselten Mahdenhager Woldezion eigentlich schon vertändelt worden war, mit der Innenseite aus verdeckter Position ins lange Eck – 1:2. Kurz darauf verwertete Pescione eine punktgenaue Flanke von der rechten Seite mit einem sehenswerten Flugkopfball flach in die rechte Ecke (85.) zum Ausgleich, um dann in der letzten Minute der regulären Spielzeit noch einmal frei vor dem Tor des Bad Bollers Maksim Wolf aufzutauchen. Patrick Härle chippte einen Ball aus zentraler Position in den Strafraum auf Carmine Pescione, der für einen kurzen Moment aufblickte und sah wie der Bad Boller Schlussmann die kurze Ecke aufmachte – und schon war es erneut geschehen und für die Weilimdorfer plötzlich doch der fünfte Saisonsieg eingetütet.

Dass es nach diesem triumphalen Sieg jedoch lange überhaupt nicht aussah und die Gäste bis zur 77. Minute sogar mit zwei Toren führten, hatte diverse Gründe. Zum einen spielte der TSV Bad Boll bis in die Schlussphase größtenteils überzeugend, störte die Weilimdorfer früh und kam durch hektische Ballverluste der Gastgeber vor allem in der ersten Halbzeit zu zahlreichen Torgelegenheiten. „Unsere Außenspieler sind da nicht eingerückt, wie wir das zuvor besprochen hatten“, erklärte Daniel Goss, Trainer des TSV Weilimdorf, diesen überaus schwachen Auftritt im ersten Spielabschnitt. Einige Gelegenheiten, wie die vom Bad Boller Pascal Hartmann – der am leeren Tor vorbei schoss (37.) – waren derart hochkarätig, dass man sich schon arg wundern musste, als es zur Halbzeit nur 0:0 stand. „Wir hätten zur Halbzeit durchaus auch 0:2 zurück liegen können“, gestand Daniel Goss, der sich vor allem bei Schlussmann Dominik Ferdek bedanken musste, dessen zahlreiche Paraden die Stuttgarter im Spiel hielten. „In der Phase hatten wir schon sehr, sehr viel Glück“, betonte Goss.

Und hätte Schiedsrichter Denis Ruff dem Weilimdorfer Außenverteidiger Aaron Nkansah, der als letzter Mann den Bad Boller Flügelspieler Martin Jux entscheidend an der Verse erwischte (35.), anstatt der gelben die durchaus vertretbare rote Karte gezeigt – das Spiel hätte wohl keine solch imposante Aufholjagd mehr zu bieten gehabt. Kurios war jedenfalls, dass die Führung für die Gäste erst fiel, als der TSV Weilimdorf in der zweiten Halbzeit selbst etwas besser ins Spiel kam und sich ebenfalls einige Torchancen herausspielte. Als der Tabellenvorletzte dann jedoch innerhalb von zehn Minuten durch Pascal Hartmann (59.) und Fabian Ammon (69.) doch noch seine Abschlussqualitäten zeigte, war die Partie eigentlich schon entschieden.

Dass es letztlich doch anders kam, unterstrich die manchmal doch sehr sonderbaren Eigendynamiken des Fußballs. Und es warf die in den letzten Wochen bereits häufiger angesprochene Frage nach der Mentalität im Weilimdorfer Teamgebilde auf. Denn trotz des Sieges war der Auftritt über weite Strecken von einer kaum erklärbaren Passivität geprägt.

„Vor allem gegen vermeintlich schwächere Gegner ist das bei uns immer wieder ein Thema“, gab Daniel Goss zu. „Aber auch da reicht es nicht, nur 80 Prozent zu geben. In der Landesliga müssen es in jedem Spiel 150 sein“, fügte der Coach an, der sich bei den Gästen aus Bad Boll, die trotz ihrer aufopferungsvollen Leistung an der Weilimdorfer Giebelstraße mit weiterhin vier Punkten in der Tabelle weit abgeschlagen sind, fast schon für den Sieg entschuldigte. „Das ist schon bitter“, sagte Goss. „Aber so ist der Fußball. Wenn du unten drin steckst, hast du die Kacke am Fuß.“