Besonders in lauen Sommernächten wird die Stuttgarter Innenstadt zur Partymeile. Manche Anwohner wollen sich Lärm und Müll nicht mehr gefallen lassen. Foto: Max Kovalenko/PPF

Der Grat zwischen gewollter Partyszene und ausufernden Belästigungen ist in der Stuttgarter Innenstadt schmal. Ein Runder Tisch soll die Lage entschärfen. Doch viele Anwohner klagen, dass die Situation immer schlimmer werde.

Stuttgart - Der Sommer steht vor der Tür. Für die meisten Menschen ist das ein angenehmes Gefühl. Doch so mancher Bewohner der Stuttgarter Innenstadt sieht der warmen Jahreszeit mit Bangen entgegen. Bedeutet sie doch noch mehr Lärm, noch mehr Pöbeleien und noch mehr Probleme mit der Vergnügungsszene, die sich dann verstärkt ins Freie ausbreitet.

„Die gesundheitlichen Belastungen durch Lärm, Müll und Betrunkene sind enorm“, sagt Martina Arnold. Sie fungiert als Sprecherin von rund 50 Anwohnern des Areals Eberhardstraße und Josef-Hirn-Platz – und hat am Freitag bei der Stadt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Dorothea Koller, die Leiterin des Ordnungsamts, eingereicht. Begründung: Die Gaststättenbehörde, die Koller untersteht, sei seit Jahren untätig.

Stein des Anstoßes ist vor allem der Krach der Belüftungsanlagen vieler gastronomischer Betriebe, die sich in diesem Bereich massiv konzentrieren. Bereits im März 2009 hatten sich die Anwohner deshalb an die Stadt gewandt. „Passiert ist seither jahrelang nichts“, sagt Martina Arnold. Mit einer Ausnahme: Im vergangenen Dezember hat das Amt für Umweltschutz Lärmmessungen vorgenommen. Das Ergebnis wurde den Anwohnern im Februar mitgeteilt. In dem Schreiben heißt es, man habe „zum Teil erhebliche Überschreitungen“ der zulässigen Richtwerte festgestellt. Es werde deshalb Gespräche mit den Gastronomen geben.

„Es sind bisher keinerlei Maßnahmen ergriffen worden“, schreiben die Anwohner in ihrer Dienstaufsichtsbeschwerde. Das wird von der Gaststättenbehörde bestätigt. „Wir sind dran, haben aber noch keine Gespräche mit den Gastronomen geführt“, heißt es dort. Es sei an dieser Stelle schwer gewesen, überhaupt die einzelnen Verursacher zuzuordnen. Außerdem wolle man im Sommer noch den Lärm der Klimaanlagen messen. Man konzentriere sich derzeit auf zwei Betriebe, gegen die man zur Not auch „ordnungsrechtliche Maßnahmen verhängen“ werde.

Sieben größere Straftaten allein 2013

Die Polizei bestätigt die Probleme im Bereich Eberhardstraße. „Wir kontrollieren dort täglich“, sagt Sprecher Olef Petersen. Allein in diesem Jahr hat es dort bisher sieben größere Straftaten gegeben, darunter sechs Körperverletzungen. Man informiere die Gaststättenbehörde regelmäßig, sei aber nicht für die Sperrzeiten zuständig. Auch Petersen erwartet im Sommer eine Verschärfung der Lage: „Dann ist dort die Hölle los.“

Und nicht nur dort. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle berichtet, dass sich die Situation um die Partyszene zuletzt verschlechtert habe. „Bei einigen Lokalen in der Innenstadt läuft das total aus dem Ruder.“ Die öffneten erst morgens um 3 Uhr und zögen ein fragwürdiges Publikum an. Auch vom Rotebühlplatz kämen nach jahrelanger Ruhe zuletzt immer häufiger Beschwerden von Anliegern. Kienzle fordert: „Die Stadt muss die Anwohner schützen. Sie haben ein Recht darauf, dort wohnen bleiben zu können.“

Den Vorwurf der Untätigkeit will sie aber nicht gelten lassen: „Das Ordnungsamt nimmt die Probleme ernst.“ Das Eindämmen der Auswüchse sei „ein riesiger Arbeitsprozess“. Das zeige auch der nach einer Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten gegründete Runde Tisch mit Vertretern von Stadt und Gastronomie. Dort beteiligten sich die schwarzen Schafe nicht. Kienzle hofft nun, dass wenigstens einige leerstehende Lokale im Bereich Eberhardstraße „Pächter bekommen, die auf das Gemeinwohl achten“.