Deutschland gegen die Türkei - beide konkurrieren um Talente türkischer Abstammung.

Berlin - Deutschland gegen die Türkei - das war schon immer ein besonderes Duell. Umso mehr, seit die Fußballverbände beider Länder um Talente türkischer Abstammung konkurrieren. Morgen (20.45 Uhr/ZDF) treffen Mesut Özil, Nuri Sahin oder die Altintop-Brüder auf Gegner, die auch ihre Mitspieler hätten sein können.

Dass es nicht schaden kann, einen wie Mesut Özil in der Mannschaft zu haben, wissen Sie beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ja spätestens seit der Weltmeisterschaft in Südafrika. So einer kann dribbeln, kann flanken und kann Tore schießen. Seit gestern gibt es nun weitere Erkenntnisse: So einer kann auch übersetzen.

"Wir sichten sie alle"

Am morgigen Freitag bestreitet die deutsche Nationalmannschaft ihr nächstes Qualifikationsspiel für die EM 2012. Vor solchen Partien wird gerne viel gefragt - und weil es gegen die Türkei geht, passiert das auch mal in türkischer Sprache. Wenn dann der Knopf im Ohr seinen Dienst nicht tut und der Simultandolmetscher ungehört bleibt, ist man aufgeschmissen - außer man hat Mesut Özil. Der diente Oliver Bierhoff kurzerhand als Übersetzer. Der Manager der Nationalmannschaft hatte also Glück - aber nicht nur.

Denn dass Spieler wie Özil oder Serdar Tasci, in Deutschland geborener Fußballer mit türkischen Vorfahren, für den DFB kicken, hat auch viel mit den Anstrengungen zu tun, die der Verband unternimmt, um talentierte Kinder aus Migrantenfamilien für die eigenen Auswahlmannschaften zu gewinnen. "Wir kämpfen um sie", heißt es aus der DFB-Zentrale in Frankfurt. Es ist ein heißes Rennen um die besten Talente, das sich nicht nur in Deutschland abspielt. Überall, wo Kinder mit Migrationshintergrund die Möglichkeit haben, sich zwischen zwei Verbänden zu entscheiden, treten Funktionäre immer früher in Kontakt mit den Talenten. Besonders aktiv ist dabei der türkische Verband. Allein in Deutschland treten rund 200.000 junge Fußballer türkischer Abstammung gegen den Ball, diese werden zwar in der neuen Heimat ihrer Eltern ausgebildet, der Verband in der Türkei kann und will davon aber profitieren. Damit das gelingt, hat der ehemalige Bundesligaprofi Erdal Keser ein Scoutingsystem für ganz Europa aufgebaut. "Wir sichten sie alle", sagt der frühere Dortmunder. Beispiele für den Erfolg der Bemühungen sind die Bundesligaprofis Hamit und Halil Altintop sowie Nuri Sahin.

Tasci größter Verlust für türkischen Verband

Das Trio ist - ebenso wie Özil - in Deutschland geboren und aufgewachsen, hat sich aber fußballerisch für die Heimat der Eltern entschieden. "Ich sehe mich mehr als Türke", sagt der Dortmunder Sahin, um den sich auch der DFB bemüht hatte. Bei seinem Länderspieldebüt 2005 hat er denn auch gleich ein Tor erzielt - den Siegtreffer gegen Deutschland. "Jeder muss auf sein Herz hören", sagt der 22-jährige Mittelfeldspieler. Hamit Altintop sieht das ein wenig anders. Mit gelungener Integration habe das Beispiel von Mesut Özil nichts zu tun, findet der Profi des FC Bayern München. Vielmehr gehe es - wie so oft im Fußballgeschäft - um die Karriere, die Perspektiven und letztlich um Geld. "Hätte er sich für die Türkei entschieden, hätte er keine WM gespielt und wäre nicht bei Real Madrid", sagt Altintop über Özil, "so einfach ist das." Und doch so schwer. Denn die Zeit der Entscheidungsfindung ist lang.

Tasci größter Verlust für türkischen Verband

Die internationalen Bestimmungen sagen, dass ein Wechsel des Nationalteams erst dann nicht mehr möglich ist, wenn ein Spieler sein erstes A-Länderspiel in einem offiziellen Wettbewerb bestritten hat. Bis es so weit ist, wird um die Talente gebuhlt. Um Geld, versichert Erdal Keser, gehe es dabei aber nicht. Und: "Wir üben keinen Druck aus." Aber sie bleiben dran. Zum Beispiel an Mehmet Ekici (1. FC Nürnberg), Ömer Toprak (SC Freiburg), Ilkay Gündogan (1. FC Nürnberg), Taner Yalcin (1. FC Köln) und vielen mehr. Allein in der U 17 des DFB stehen neun Spieler mit türkischen Wurzeln.

Sie alle können sich noch entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Den von Nuri Sahin und den Altintop-Brüdern oder den von Mesut Özil und Serdar Tasci. Dass Letzterer sich für den DFB entschieden hat, schmerzt Erdal Keser übrigens besonders. "Er ist der größte Verlust, denn er gehört zu einem Spielertyp, den wir nicht haben", sagt der Technische Direktor des türkischen Verbands über den Abwehrspieler, "er hätte sich bei uns durchgesetzt. Stattdessen war die WM eine Demütigung für ihn." Tasci kam in Südafrika nur einige Sekunden zum Einsatz. Andererseits: Die Türkei war gar nicht qualifiziert.

Es bleibt also auch in Zukunft schwierig für die Talente, die richtige Wahl zu treffen. Aber vielleicht dient das Spiel am Freitag dem einen oder anderen ja als Entscheidungshilfe.