Luis Rubiales (l) bei seiner Rückkehr nach Spanien Foto: Manu Fernandez/AP/dpa/Manu Fernandez

Der spanische Fußballverband ermittelt in der „Kuss-Affäre“. Auch die geküsste Spielerin fordert Maßnahmen gegen Verbandschef Rubiales.

In der Kuss-Affäre im Anschluss an das WM-Finale eröffnet die Fifa nun ein Disziplinarverfahren gegen Luis Rubiales. Wenn Spaniens Fußball-Verband (RFEF) nur einen Funken Anstand besitzt, dann müsste er bei seiner außerordentlichen Generalversammlung am Freitag den Verbandschef Luis Rubiales von allen Aufgaben entbinden. Die Indizien dafür, dass der Mann die ständige Grenzüberschreitung gegenüber Frauen in seinen Arbeitsalltag implantiert hat, sind erdrückend.

Der Kuss soll nicht ungestraft bleiben

Die Kuss-Affäre machte dies offenbar: Rubiales hatte Weltmeisterin Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung in Sydney einen Kuss aufgenötigt. Nun verlangen die internationale Spielergewerkschaft Fifpro und die Spielerinnengewerkschaft Futpro Konsequenzen. Auch von der betroffenen Spielerin gibt es inzwischen ein deutliches Statement: Es gehe jetzt um „beispielhafte Maßnahmen“, solche Behandlung dürfte „niemals ungestraft bleiben“, hieß es in ihrem Kommuniqué. Dass sich die inzwischen in Mexiko spielende 33-Jährige gegen Rubiales stellt, ist die entscheidende Wendung in der Causa.

Denn bislang galt als sicher, dass die Regionalfürsten Rubiales bei der Sondersitzung des Verbandes am Freitag unterstützen würden. Schließlich hatte er die Zuwendungen für die Regionalverbände in seiner Amtszeit multipliziert. Doch das Disziplinarverfahren der Fifa und Hermosos Statement könnte die Lage für Rubiales ändern.

In jedem Fall ist der Imageschaden immens. Die Verteidigungslinie des 46-Jährigen mitsamt einer halbgaren Entschuldigung ist zusammengebrochen, nachdem die Weltmeisterin der Darstellung widersprochen hat, der Kuss habe „auf Gegenseitigkeit“ beruht. Hermoso soll noch beim Rückflug über Doha von Nationaltrainer Jorge Vilda vergeblich bekniet worden sein, dem Verbandschef beizustehen. Bereits am Dienstag hatte Ministerpräsident Pedro Sanchez den Daumen beim Fußballboss gesenkt, indem er nach dem Empfang am Regierungspalast von einer „inakzeptablen Geste“ sprach und davon, dass es noch ein langer Weg sei „bis zur Gleichheit und Respekt zwischen Männern und Frauen“.

Escort-Damen auf Verbandskosten

Danach bestätigte die oberste spanische Sportbehörde, dass vier Anzeigen gegen Rubiales eingegangen seien. So auch von Tamara Ramos, früher Marketing-Leiterin der Spielergewerkschaft AFE, aus der Rubiales auf den RFEF-Thron rückte. Sie sei mehrfach mit sexistischen Bemerkungen bedacht worden. In einem weiteren Skandal ist von Leistungen von Escort-Damen die Rede, die auf Verbandskosten abgerechnet werden sollten.

Rubiales steht exemplarisch für die immer wieder von Funktionären oder Trainern missbrauchte Machtposition, die bei zwei WM-Neulingen besonders krass die erste Teilnahme trübten. Sambias Nationaltrainer Bruce Mwape wird genau wie Haitis Verbandschef Yves Jean-Bart angelastet, Nationalspielerinnen zu Sex gezwungen zu haben. In Deutschland soll es früher ebenfalls Übergriffe gegeben habe, wie Britta Carlson, Co-Trainerin der deutschen Fußballerinnen, im ersten Teil der Dokumentation „Born for this“ über die Frauenfußball-Nationalmannschaft berichtete.