Das Faulenzen soll kultiviert werden und zu wichtigen Erkenntnissen für die Stadt führen. Foto: blickwinkel/E. Teister

Im Rahmen eines einjährigen künstlerischen Projekts wird Heilbronn zur „Hauptstadt der Folgenlosigkeit“. Was verbirgt sich dahinter?

Man tut „nichts“ und bekommt dafür Geld. Diese ungewohnte Vorstellung wird Realität als Teil des Projektes „Hauptstadt der Folgenlosigkeit“, auf das sich die Stadt Heilbronn eingelassen. Starttermin ist Anfang Mai, über ein Jahr dauert die Aktion. Der tiefere Sinn: Eine Stadt stellt sich einem neuen Denken und wird dabei mit ihren Problemen, ihrer Widersprüchlichkeit und ihren Chancen konfrontiert.

Friedrich von Borries, Professor für Designtheorie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, Autor von „Fest der Folgenlosigkeit“ findet, dass Heilbronn genau die richtige Stadt dafür ist, das umzusetzen was er in seinem Buch „vorgedacht“ hat: „In Hamburg oder Berlin wäre das nicht durchführbar gewesen!“ Oberbürgermeister und Schirmherr Harry Mergel formuliert seine Erwartungen so: „Die Folgen unseres Handelns zu bedenken, begleitet unsere Arbeit täglich.“

Die Folgenlosigkeit ist zum Verein erhoben worden

Für das, was im „Jahr der Folgenlosigkeit“ alles geplant ist, steht der „Folgenlosigkeit e.V.“ mit von Borries, Philipp Wolpert (Regisseur) und Tobias Frühauf (Dramatiker), engagierte Akteure von hier, als „Tacheles und Tarantismus“ kein Geheimtipp mehr in der deutschen Kulturlandschaft. Sie konnten nahezu alle relevanten Institutionen der Stadt zum Mitmachen gewinnen. Ein zentrales Element ist der „Nichts-tun-Wettbewerb“: Wie sieht ein Leben aus, das keine negativen Folgen für andere Menschen, Lebewesen, Materie und damit auch für eine Stadtgesellschaft hat?

Wer mitmacht, muss den Erkenntnissen des Gewinners folgen

Die Antwort soll aus Selbsterfahrung kommen, dank eines Stipendiums als „Erprobungsversuch freudvoller Unterlassung“. Dreimal wurde es über ein „basisdemokratisches Verfahren“ vergeben, dotiert ist es mit jeweils 5000 Euro. Der Haken: Alle, die mitmachen, müssen danach den Erkenntnissen der Gewinner folgen. Von Borries sieht das Projekt als ein kulturelles, eine politische Agenda verfolge er nicht. Politische Folgen wird es haben. Das Projekt heiße ja nicht „Hauptstadt der Erfolgreichen“ meinen Wolpert und Frühauf: „Warum dann eines über Folgenlosigkeit? Man kann ihr nicht ausweichen. Wir existieren und es hat Folgen, die auch unmittelbar mit einem selbst zu tun haben. Ob Folgenlosigkeit Freiraum, Erleichterung, Eingeständnis, Ohnmacht, Aufforderung zu verantwortungsvollem Handeln, regulatives Ideal oder Einladung zur Untätigkeit ist, kann jeder an sich selbst erfahren.“

Empfänger des zweiten Stipendiums „Stadtschreiber“, gewählt von einer Fachjury, ist der Autor Alexander Estis. 1986 in Moskau geboren, kam er als Zehnjähriger mit seiner jüdischen Künstlerfamilie nach Deutschland. Er soll das Projekt „kritisch reflektieren und in geeigneter künstlerischer Form festhalten“.