Beate Ludwig und Uli Eberhardt lieferten eine „Wandelperformance“. Foto: Werner Kuhnle

Die vierte Ausgabe der Marbacher „Nachtschicht Kunst“ lockt mit einer großen Vielfalt, die teils amüsiert – aber auch zum Nachdenken anregt. Sogar Albrecht Dürers Katze zeigt sich beim Flanieren.

Die Einladung machte neugierig. „Albrecht Dürers Katze ist als Überraschungsgast auch dabei.“ Es ging um die Präsentation der Zeichnungen von Frank Lukas in einer alten Scheuer in der Marbacher Altstadt. Eine von 14 Anlaufstellen bei der vierten Ausgabe „Nachtschicht Kunst“, die am Samstagabend viel Publikum anlockte und für Leben auch zwischen den Ateliers, Antiquariaten, Kellern und Museen sorgte. Ein kleiner Hauch von Montmartre wehte durch Marbachs Gassen.

Dürers Katze war tatsächlich dabei. Frank Lukas hat ihr einen Ehrenplatz eingeräumt: „Ein Höhepunkt meines Schaffens.“ Es sind zwei Bilder. Auf dem einen fragt eine Frau, ob er, Albrecht Dürer, ihr eine Katze malen könne. Die zweite Zeichnung zeigt ein Wesen in Katzenhaltung, das aber seine Verwandtschaft mit dem zur Ikone gewordenen Hasen von Dürer nicht leugnen kann. Kunst mit Pointe: Auch andere Werke des Künstlers, mit reflexiven Texten ergänzte Darstellungen von Menschen etwa, regten zum Nachdenken an. Es ist eine „Nachtschicht“ mit großer Vielfalt, Bildern und Fotografien, Cartoons und Collagen, ungewöhnliche kleine Skulpturen, Goldschmiedearbeiten, Musik. Zwei Besucherinnen: „Wir sind in Marbach gut bei der Literatur, jetzt entdecken wir, dass da noch viel mehr läuft.“ Rund 40 Künstlerinnen und Künstler hatten eingeladen.

Musik löst große Emotionen aus

Bemerkenswert wirkten Musik und gestaltende Kunst in der Stadtkirche zusammen. Im Chor waren Bilder von Tine Schumann zu sehen. Darstellungen einer gefährdeten, aber nicht hoffnungslosen Welt, ein blutendes Herz über öder Landschaft zum Beispiel. Inmitten des Chores stürzten sich als Installation große rabenähnliche Vögel herab, rote Linien liefen von ihnen hinaus in den Kirchenraum zu weiteren Bildern. Bezirkskantor Andreas Willberg spielte mit großer Virtuosität ein dreiteiliges Orgelkonzert, um, wie er sagte, eine Brücke zwischen Kunst und Besuchern zu schlagen. Vor allem der Mittelteil seines Konzerts, als das starke Emotionen auslösende Stück „Mad Rush“ von Philip Glass erklang, berührte das Publikum, es applaudierte spontan.

In der Niklastorstraße empfing Alina Iftime die Bummler. Die aus Rumänien stammende Künstlerin arbeitet in einem heimeligen kleinen Atelier, malt und zeichnet mit Ölfarbe, Bleistift oder Tinte Bilder, die Fragen auslösen. Alima Iftime erklärte, wie einige Motive zustande kamen: „Ein Künstler malt das nur zur Hälfte, ich bekomme nur einen Streifen zu sehen.“ Erstaunlich etwa ein Bild mit dem Turmbau zu Babel mit Menschenkopf auf der einen Seite, einem aufgeschlagenen Buch und dem abstürzenden Ikarus auf der anderen.

Unterhaltung bot Jolanda Obleser: Sie lud zu Comic-Lesungen mit optischer Projektion in die Alte Sakristei ein. Die Marbacherin arbeitet jetzt als freie Künstlerin in Hannover. In den voll besetzten Räumlichkeiten erlebten die Besucher jeweils drei Comic-Geschichten mit Witz – wenn Obleser zum Beispiel die umständliche Zubereitung eines Tofu-Gerichtes persiflierte.

Auf der Marktstraße agierten mobile Künstler, die „Wandelperformance“ von Beate Ludwig und Uli Eberhardt, er als Clown kostümiert. Sie stellten sich als Diplom-Waldmeisterin Waldtraut und Waldmeister-Azubi Trautwald vor und versuchten, mit großen Buchstaben und den „Nachtschicht“-Schwärmern einen Forst für die Marbacher Innenstadt zu erschaffen. Sie stießen, wie die anderen Künstler an diesem Abend, auf sehr positive Resonanz