Lothar Fischers rund vier Meter hohen Skulpturen am Allmandring 31 Foto: Martin Bernklau

Kunst im öffentlichen Raum: Lothar Fischers rostige und fast abstrakte Figurenvor der Bioverfahrenstechnik.

Stuttgart-Vaihingen - Eine Zeit lang war dieses Material verbreitet und geradezu in Mode unter bildenden Künstlern: Rost, oxidiertes Eisen. Aber nicht alle Menschen mögen Rost. Denn diese Oberfläche verkörpert gleichermaßen Kälte und Härte des Metalls als auch den Verfall von Eisen und selbst Stahl, dieses so stabil und dauerhaft erscheinenden Materials. Auch schmutzig mag Rost erscheinen, Flecken machend und zu Berührungen nicht einladend. Vor und hinter dem Vaihinger Forschungszentrum für Bioverfahrenstechnik am Allmandring 31 hat der Bildhauer Lothar Fischer 1992 drei Skulpturen geschaffen, zwei vor dem westlichen Eingang zur zentralen Rotunde, eine dahinter.

Das Institutsgebäude ist geprägt von einer leichten, lichten Architektur aus Glas und weiß lackiertem Stahl. Die beiden zweistöckigen Baukörper öffnen sich um den Drehpunkt des gläsernen Rundbaus leicht spitzwinklig nach Westen hin. Schon farblich, aber auch in der Anmutung von Schwere gegen Leichtigkeit, kompakter Masse und filigraner Struktur könnte der Kontrast zu Lothar Fischers rostigem Gusseisen kaum größer sein.

Fischer hat an der Münchener Akademie studiert

Die rund vier Meter hohen, sehr symmetrischen Skulpturen tragen die Titel „Großes Tor“, „Großer männlicher Kopf“ und „Große männliche Büste“. Der Eindruck, dass die beiden äußeren Stelen etwas penishaft anmuten könnten, liegt also – knapp – daneben. Doch es sind auch figürliche Bildwerke, keine abstrakten – auch wiederum knapp, an der Grenze, verändert, verformt und verwandelt. Bei der Büste und dem Kopf sind seitlich henkelartige Beifügungen zu sehen, die durchaus als Ohren gedeutet werden können. Eine Einkerbung steht bei beiden für das Kinn, das jeweils in einen zylindrischen Hals und den geometrischen Sockel übergeht.

Fischer hat aber selbst das majestätisch schlichte Tor der menschlichen Gestalt zugeordnet: „...gedacht als Figurenausschnitt, bestehend aus 2 Oberarmen und Schulterquerbalken“ schrieb er dazu. Die rostige Trias ist bezeichnend für die vielfältige, suchende, auch Wendungen nehmende Entwicklung des 1933 geborenen Bildhauers, der in der Oberpfalz aufwuchs. Ein paar Tage nach seinem Tod im Juni 2004 öffnete in der Stadt Neumarkt das von ihm und seiner Frau Christa als Stiftung konzipierte Museum Lothar Fischer.

Fischer, Sohn eines Bildhauers und einer Malerin, hatte an der Münchener Akademie studiert und dort um die Wende zu den sechziger Jahren die Gruppe „Spur“ mitgegründet, zu der auch der spätere Berliner Kommunarde und Spaß-Guerillero Dieter Kunzelmann stieß. Gegen die linksradikale Avantgardisten-Gruppe lief wegen einiger provokanter und etwas großmäuliger Manifeste ein spektakulärer Gotteslästerungsprozess, der erst 1975 vor dem Verfassungsgericht endete.

Die Rostoberfläche des kalten Metalls wirkt warm

Lothar Fischer indessen, mit den höchsten Preisen und Stipendien ausgezeichnet, kreiste immer wieder um die Frage von Figürlichkeit und Abstraktion, von geschlossener Strenge und Spontaneität, von transparenter Leichtigkeit und schwerer Masse im Raum.

In seinen drei sorgsam gruppierten Figuren hält er solche Spannungen fest: männlich-weiblich, hart und weich, warm und kalt, geschlossen und offen. Das Tor in der Mitte ist innen kantig, außen weich. Es ist Tor und abgewandelte reduzierte Menschengestalt. Die Rostoberfläche des kalten Metalls wirkt warm. Die Trias hebt sich in hartem Kontrast ab und verbindet doch die Gebäude auch als sorgsam komponierte Sichtachse. Die perfekte Kunst am Bau.