Streitobjekt der Kulturpolitik: das Opernhaus in Stuttgart Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Vor den Wahlen zum Gemeinderat haben die Kulturpolitiker im Württembergischen Kunstverein ihre Pläne diskutiert. In vielen Punkten herrscht große Einigkeit. Nur beim Thema Opernsanierung treffen Weltanschauungen aufeinander. Und die Stuttgart-21-Wunden sind auch noch immer nicht verheilt.

Stuttgart - Es gibt bekanntlich zahlreiche Themen der Stuttgarter Kommunalpolitik, bei denen die Fraktionen im Gemeinderat tief zerstritten sind: Verkehr, Wohnungsbau, Klima, Schulen, Tiefbahnhof et cetera pp. Die Kulturpolitik gehört definitiv nicht dazu – wie das jetzt schon breit gefächerte und von vielen geschätzte Kulturangebot in Stuttgart gepflegt und ausgebaut werden muss, darüber sind sich die Kulturpolitiker parteiübergreifend vielfach einig. Die Kämpfe, das Wünschenswerte durchzusetzen, führen sie darum meist nicht untereinander, sondern mit den Haushältern und Finanzexperten.

All das wurde wieder einmal sehr deutlich bei der inzwischen schon traditionellen „Diskussion mit den kulturpolitischen Kandidaten“, welche die Sachkundigen Bürger im Kulturausschuss kurz vor den Gemeinderatswahlen veranstalten, jüngst am Dienstagabend im Württembergischen Kunstverein. Wenn sich Rose von Stein von den Freien Wählern um die „prekären“ Einkommen der Künstler in der freien Szene sorgt, wenn Stefan Urbat von den Piraten und Tim Hülquist von den Linken „mehr Niedrigschwelligkeit“ der Angebote fordern, oder wenn Dejan Perc von der SPD dafür plädiert, die Stadt möge mehr „Räume für kulturelle Zwischennutzung“ zur Verfügung stellen – man ahnt und sieht förmlich, wie da auch Eric Neumann von der FDP, Jürgen Sauer von der CDU und Andreas Winter von den Grünen mühelos zustimmen können. Wobei diese mit ihrem Lob der „beispielhaften Offenheit des Stadtpalais für alle“ (Neumann), dem „Bewahren und Ausbauen der Kulturmeile“ (Sauer) und der Klage über die „strukturelle Unterfinanzierung vieler Einrichtungen“ (Winter) rundum allgemeines Kopfnicken und Beifall ernten.

Theaterhaus und Theater der Altstadt stehen nicht allein

Das könnte vielleicht das wichtigste kulturpolitische Projekt für die nächste Legislaturperiode werden: Die akuten Finanznöte von Theaterhaus und Theater der Altstadt, so Winter, seien ja nur ein Beispiel für die Nöte aller. Die Tarifgehälter steigen, Mieten und Strom kontinuierlich auch, die Preise überhaupt, und trotzdem sind die Zuschüsse für Kultureinrichtungen über Jahre hinweg eingefroren. „Wir müssen hier einen Weg finden, die Zuschüsse, falls nötig, schneller angleichen zu können“. Ein solcher „Dynamikfaktor“ wäre zumindest in diesem Kreis ein weiteres parteiübergreifendes Projekt – allerdings muss vorher noch gut geklärt werden, wie ein solcher Faktor mit dem Haushaltsrecht in Einklang zu bringen ist.

Die seltenen Momente des Streits entwickelten sich beim Thema Opernsanierung: Die Grünen halten hier fest zum Oberbürgermeister und seinem Interims-Projekt an den Wagenhallen, während die SPD auch aus Rücksicht auf die freie Szene dort die Übergangsspielstätte lieber zentraler hätte und Linke, SÖS und Piraten beim Thema Staatstheater generell zu mehr Sparsamkeit mahnen: „Wir kennen das Opernpublikum. Eine Milliarden teure Oper wäre auch aus sozialen Gründen überhaupt nicht zu rechtfertigen“, so Tim Hülquist von den Linken.

Die Stadtisten wollen bei der Rosenstein-Viertel-Planung mitmischen

Und dann wabert durch alle kulturpolitischen Perspektivdebatten in Stuttgart immer die Frage, ob und wann die diesbezüglich kritische Kulturszene ihren Frieden mit dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 machen will. Aus dem Publikum heraus plädierte jedenfalls der Musiker Thorsten „Putte“ Puttenat, der für die Gruppe Stadtisten zum Gemeinderat kandidiert, energisch dafür, sich künftig mit Schwung in die Planung des künftigen Rosensteinquartiers einzuschalten. „In den Plänen sind 5 Hektar für kulturelle Nutzung diesseits der großen Institutionen reserviert. Wir sollten aufpassen, dass es dabei bleibt und dass etwas Spannendes darauf entstehen kann“.

Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass man auch bei diesem Thema zu jenem „unideologischen Pragmatismus“ findet, der ansonsten Tenor des Abends war. Offenbar ist es dafür bei dieser Wahl bei einigen immer noch zu früh.