Die größten KI-Rechenzentren betreiben US-Firmen, doch auch in Deutschland existiert eine – meist spezialisierte – KI-Branche (Symbolbild). Foto: imago/photothek/Thomas Trutschel/photothek.net

Die bekanntesten KI-Anwendungen wie ChatGPT kommen von US-Firmen. Doch auch in Deutschland arbeiten Start-up-Firmen und Forscher an Künstlicher Intelligenz. Das Zauberwort heißt Spezialisierung.

Sie heißen Bard, Midjourney oder ChatGPT, sie werden gefeiert und gefürchtet – und sie haben eines gemeinsam: Die Künstliche Intelligenz (KI), über die seit Monaten viel diskutiert wird, stammt meist aus den USA, entwickelt von großen Tech-Unternehmen. Auf die Technologie richten sich wirtschaftliche Hoffnungen– kein Wunder, dass deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter immer wieder fordern, man dürfe den nächsten Schritt der Digitalisierung nicht verpassen und müsse eigene Firmen, eigene KI-Modelle etablieren.

Tatsächlich fehlen Deutschland Tech-Konzerne vom Kaliber eines Google oder Meta, die große KI-Modelle entwickeln. An die Firma der Stunde, die ChatGPT-Entwickler Open AI, reicht keine deutsche oder europäische KI-Firma in puncto Rechenleistung, Geld oder Hype heran. Trotzdem gibt es nennenswerte KI „made in Germany“, das appliedAI-Institut zählte kürzlich mehr als 500 deutsche KI-Start-up-Firmen. Nicht alle sind neu, manche haben sich schon vor Jahren etabliert – und spezialisiert.

Sprach-KI, aber für die Nische

Daniel Abbou ist Geschäftsführer des KI-Bundesverbandes, und qua Amt hätte er am liebsten auch ein Unternehmen wie Open AI in Deutschland. So groß ist bisher allerdings keines. „KI-Firmen gehen hierzulande oft in Nischen“, sagt Abbou. „Das ist der einzige Weg, um gegen die US-Konkurrenz zu bestehen.“ Dennoch hält er generative KI, die wie ChatGPT und Dall-E Text und Bild erzeugt, für einen wichtigen Trend.

Große Aufmerksamkeit hat hier zuletzt das Start-up Aleph Alpha aus Heidelberg auf sich gezogen – eine Beteiligung von SAP, werbewirksame Auftritte mit Politikern und ein KI-Testlauf in der baden-württembergischen Landesverwaltung inklusive. Die 2019 gegründete Firma entwickelt ein Sprachmodell, das der Technik hinter ChatGPT ähnelt, sich aber nicht an die breite Öffentlichkeit, sondern an Firmen und Behörden richtet

Schon deutlich älter ist dagegen die Kölner Firma DeepL. Ihr gleichnamiger Übersetzungsdienst gilt vielen als überlegene Alternative zu Googles „Translate“-Funktion, gegründet wurde sie bereits 2009 unter dem Namen „Linguee“. Mit über einer Milliarde Euro Investorenbewertung wurde DeepL im Januar zum sogenannten „Einhorn“-Start-up. „DeepL war früher da als Open AI, sie sind aber immer etwas unter dem Radar geflogen“, meint Jannis Gilde vom deutschen Start-up-Verband.

Industrie-KI als deutsche Spezialität

KI-Firmen aus Deutschland eint häufig, dass sie „hauptsächlich im Business-To-Business-Bereich“, also für Geschäftskunden arbeiten, erklärt Daniel Abbou. KI-Bundesverband und Start-up-Verband betonen beide, für die Industrie, aber auch für kleinere Unternehmen könnten KI-Kooperationen enorm wertvoll sein. Die Textfähigkeiten von ChatGPT sorgen seit einem Jahr für Aufsehen, doch für Unternehmen spielen verwandte Technologien schon länger eine Rolle – aber eher, um im Hintergrund große Datenmengen auszuwerten.

Noch ein Unternehmen mit Milliardenbewertung ist zum Beispiel die Münchner Firma Celonis, die KI dafür einsetzt, Geschäftsprozesse von Firmen zu durchleuchten und effizienter zu machen. 2011 gegründet, wirbt Celonis damit, von der Lagerverwaltung bis zum Mausklick eines Angestellten alle möglichen Daten auswerten zu können.

Spezialisierter geht es dagegen bei Agile Robots zu, deren Industrieroboter zum Beispiel mittels KI „sehen“ sollen, um Gegenstände zu erkennen. Die 2018 gegründete Firma zählt unter anderem BMW zu ihren Kunden. Ebenfalls hochspezialisiert ist das Rüstungs-Start-up Helsing. Das Unternehmen aus München, ebenfalls mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet, soll beispielsweise Eurofighter-Kampfflugzeuge mit Algorithmen ausrüsten, die Radardaten auswerten.

Von der Forschung in die Anwendung

„Unsere große Stärke in Deutschland ist die starke Forschungslandschaft, auch in den Feldern, die für KI relevant sind“, sagt Jannis Gilde vom Start-up-Verband. Wichtig sei dabei, die Ergebnisse auch in Start-up-Gründungen und unterschiedliche Branchen zu übertragen.

Ein Feld, in dem KI-Algorithmen schon seit Jahren eine wachsende Rolle spielen, ist die Medizin. Hier stehen meist Forschungsgruppen und seltener kommerzielle Firmen im Vordergrund – zum Beispiel bei der Erkennung von Hautkrebs, bei der KI-Systeme teils schon mit Ärzten mithalten und die Mediziner und Medizinerinnen bei der Diagnose unterstützen können. Solche Modelle kommen von verschiedenen Forschungseinrichtungen und Universitäten, beispielsweise vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

Und auch in noch populäreren Feldern tun sich immer wieder deutsche Universitäten hervor. Stable Diffusion illustriert das besonders gut. Das KI-Modell erzeugt Bilder aus Texteingaben und ist weltweit bekannt – auch, weil es im Sommer 2022 mit offener Lizenz erschien. Entwickelt hat Stable Diffusion die „CompVis“-Forschungsgruppe an der Ludwigs-Maximilian-Universität München, als Herausgeber tritt aber das Londoner Start-up Stability AI auf, das die nötige Rechenleistung finanziert hat.